Von Julia Ortner, ZiB2-Redakteurin
Sonja Ablinger ist eine aufsässige Frau, also für SPÖ-Verhältnisse. Weil sie eine Meinung
hat und die auch ausspricht. Selbst dann gerne, wenn ihre Meinung der offiziellen
Parteimeinung zuwiderläuft.
Zum Beispiel im Herbst 2012, da stimmt die Abgeordnete Ablinger als einzige von 57
SPÖ-Mandataren gegen den Fiskalpakt. So wirst du berühmt in einer Regierungspartei,
die Journalisten nennen dich gleich „Rebellin“ und Überraschung, Du stehst bei der nächsten
Wahl wieder so auf der Landesliste, dass du leiderleider nicht mehr ins Parlament einziehen
kannst.
Jetzt hätte Ablinger doch noch die Chance gehabt, durch die SPÖ-Personalrochaden nach
dem Tod von Parlamentspräsidenten Barbara Prammer in den Nationalrat zurückzukehren
– doch heute haben sich ihre oberösterreichischen Genossen bei ihrem Landesparteivorstand
gegen ihre Rückkehr entschieden. Frauenquote und Parteistatut hin oder her, auf Prammers
Platz rückt jetzt also Herr Schopf nach, ein Gewerkschafter aus Oberösterreich. Bitte, er war
ja auch auf Nummer 2 der Landesliste, Ablinger nur auf Nummer 3.
Dass die widerspenstige Frau Ablinger trotz Quote und Unterstützungserklärung der
Frauenministerin in der realpolitischen Welt wohl eher nichts reißen wird, war eigentlich
schon klar. Spätestens, als dann auch noch Kanzleramtsminister Josef Ostermayer seinen
Besuch beim heutigen Vorstand der Linzer Kollegen angekündigt hat, natürlich ganz zwanglos,
das sei alles die Sache der oberösterreichischen Genossen. Ostermayer taucht ja immer auf,
wenn es irgendwo eng oder stressig wird, als Werner Faymanns Problemlöser. Also Problem
gelöst, alles ordnungsgemäß nach Listenplatz, Debatte beendet.
„Die Quotenregelung wird in der SPÖ Oberösterreich situationselastisch angewandt“, das
sagt Sonja Ablinger heute nach der Entscheidung. Man könnte es aber auch so sagen:
Ablinger ist den Parteioberen und manchen Parteifreunden wahrscheinlich sehr suspekt,
weil sie sich aus deren Sicht mit ihrem Abstimmungsverhalten gegen die Partei selbst
gewandt hat, gegen die eigene Gemeinschaft, gegen die Familie sozusagen.
So etwas vergisst man nicht. Auch wenn man sich manchmal vielleicht über die Parteispitze
ärgern mag, wie derzeit gerade beim Spiel um die roten Personalrochaden – öffentlich gegen
die eigenen Leute, so etwas macht man einfach nicht. Das sollte Ablinger seit der Fiskalpakt
-Abstimmung wissen. Danach haben die oberösterreichischen Abgeordneten des Nationalrats
– inklusive Nationalratspräsidentin Prammer – einen offenen Brief formuliert: „56 von 57
Abgeordneten waren bereit, Verantwortung zu übernehmen".
Elegant unausgesprochen: Ablinger war es als Einzige nicht.
Der Fall Sonja Ablinger erzählt aber nicht nur manches über den Umgang der SPÖ mit ihren
Unbequemen. Die politische Gemeinschaft als straff organisierte Maschine, ganz oben die
Vorgaben, darunter die Umsetzung durch all die größeren und kleineren Rädchen, so läuft
Politik heute über weite Strecken. Anders denken, „querdenken“ hat man das früher genannt,
ist so etwas von out. Anders denken gilt als lästig, die Zeiten der Querdenker sind vorbei.
Nicht nur bei den Sozialdemokraten, die ja traditionell eine höhere Kadertreue aufweisen
als andere. In den SPÖ-Reihen gibt es mit der jungen Abgeordneten Daniela Holzinger
immerhin eine, die öffentlich auch mal widerspricht.
Früher waren die Aufsässigen in ihren Parteien auch nicht die beliebten Ballköniginnen. Aber
immerhin, man hat sie doch sein lassen, irgendwo am Rand. Mittlerweile allerdings sind fast
alle Dagegen-Redner wie der Grüne Johannes Voggenhuber oder der Schwarze Ferry Maier
raus aus dem Rebellen-Geschäft. Und selbst bei neuen Parteien wie den Neos ist
Abweichlertum nicht mehr so gefragt.
Wenn zum Beispiel deren Religionssprecher Niko Alm wegen seiner eher harmlosen Leidenschaft
für die sogenannte Pastafari-Religion plötzlich Religionssprecher gewesen ist – es könnte
sich jemand ja durch Alm in seinen religiösen Gefühlen gekränkt fühlen. Glaubt wohl
zumindest Parteichef Matthias Strolz.
Konformismus statt Nonkonformismus, darauf besinnt sich die Politik wahrscheinlich auch,
weil die Leute da draußen sie ja ohnehin schon sehr skeptisch betrachten. Da muss man nach
außen schon zusammenhalten, die Reihen geschlossen, Motto: zumindest wir halten zusammen.
Und schlussendlich spiegelt das mangelnde Bekenntnis der Politik zum Individualismus vielleicht
auch eine weit verbreitete Haltung in unserer Gesellschaft wider.
Viele wollen Normcore sein, also möglichst „normal“, so wie die anderen, nur keine Abweichungen.
Oder wie der deutsche Rapper Marteria singt:
„Keiner macht mehr Malle, alle fahren nach Schweden/Jeder liebt die Bayern, vor'm Essen beten/
Leben die kleinen Träume, verbrennen die großen Pläne.“
Ablinger: "Verhältnisse werden immer autoritärer, das liegt auch an Werner Faymann"
AntwortenLöschenvon MICHAEL VÖLKER - 24. August 2014, 17:41
Die Hoffnungen der SPÖ-Frauen ruhen auf Gabriele Heinisch-Hosek, Frauenvorsitzende der SPÖ. Sie soll in den Gremien auf das Einhalten der Quoten drängen. Kritik an dem Vorgängen äußert die nun ausgebootete ehemalige Abgeordnete Sonja Ablinger
Wien - "Die Partei kann immer weniger mit Kritik umgehen", sagt Sonja Ablinger, die in der SPÖ als "Parteirebellin" gilt. "Die Verhältnisse werden autoritärer, und das liegt auch an Werner Faymann." SPÖ-Chef und Kanzler Faymann stehe nicht für den Diskurs, "da braucht man nicht herumeiern, so ehrlich muss man sein", sagt Ablinger am Sonntag im Gespräch mit dem Standard, wohl wissend, dass sie ihre Chancen, doch noch als Abgeordnete auf das frei gewordene Mandat von Barbara Prammer in den Nationalrat nachzurücken, damit nicht erhöht.
"Heinz Fischer hat in seiner Zeit als Nationalratspräsident einmal gesagt, die Stärke der SPÖ muss sein, diese Breite an Meinungen auszuhalten. Das ist uns verlorengegangen, und das ist nicht gut für die Partei."
Dass der oberösterreichische Landesparteivorstand den Antrag der SPÖ-Frauen, das frei gewordene Prammer-Mandat wieder mit einer Frau zu besetzen, als unzulässig abgewiesen hat, habe viele Frauen in der SPÖ vor den Kopf gestoßen.
"Da wird es mit Sicherheit noch viele Diskussion geben", sagt Ablinger, die als Vorsitzende der oberösterreichischen SP-Frauen auch im Bundes-parteivorstand sitzt und dort am Montag ihre Meinung kundtun will.
Dass sich die Parteiführung über das Statut, das vorsieht, dass ein frei werdendes Mandat einer Frau wieder mit einer Frau nachzubesetzen ist, solange nicht Geschlechterparität erreicht ist, einfach hinwegsetzt, findet Ablinger "bizarr".
Ablinger: "Ein Statut ist ja kein Wunschkonzert, das man sich je nach Situation richten kann, wie man es braucht."
Sie selbst empfindet sich nicht als zu kritisch. Als sie im Parlament gegen den Fiskalpakt und die Asylgesetze gestimmt hatte, habe sie die Landespartei hinter sich gewusst, "da gab es Beschlüsse und klare Diskussionen". Heute will die Parteiführung diese Auseinandersetzungen nicht mehr führen, beklagt Ablinger. "Es gilt: A Ruh' muss sein."
Unglücklich mit den Vorgängen in der Partei ist auch Gabriele Heinisch-Hosek, Frauenministerin und Frauenvorsitzende der SPÖ. Sie pocht auf die Einhaltung der Quotenregelung. Ob sie sich durchsetzen wird können, werden die Sitzungen der Parteigremien am Montag zeigen, in denen die Rochaden abgesegnet werden sollen.
Die oberösterreichische SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger hofft "auf ein Umdenken im Bundesparteivorstand" und auf einen starken Auftritt der Frauenvorsitzenden Heinisch-Hosek.
Mit dem Nachrücken Schopfs sinkt der Frauenanteil im SPÖ-Parlamentsklub auf unter ein Drittel. Künftig stehen dort 35 Männer 17 Frauen gegenüber.
Die Parteiführung muss aus diesem Grund auch den Abgang ihrer ehemaligen Kommunikationsstrategin Katharina Krawagna-Pfeifer hinnehmen.
Krawagna-Pfeifer, von 2003 bis 2005 Kommunikationschefin der SPÖ, teilte dem Standard am Sonntag mit, dass sie ihre Parteimitgliedschaft ruhend gestellt habe und nach 35 Jahren aus der Gewerkschaft ausgetreten sei. Krawagna-Pfeifer ist schwer verärgert über die jüngsten Vorgänge in der SPÖ: "Das ist zu weit gegangen", sagt sie zur Entsendung des Gewerkschafters Schopf. Der Partei wirft sie einen Statutenverstoß vor, dem Gewerkschafter Schopf einen "Verstoß gegen die Solidarität".
ein Kommentar von Mr.Nice Guy im Standard (Verhältnisse werden immer autoritärer ... ):
AntwortenLöschenFaymann ist untragbar !!! Bitte liebe SPÖ Delegierten ...
wählt Faymann am Parteitag ab, lasst andere Meinungen zu, widmet euch wieder Sozialdemokratischen themen, Seid SOZIALDEMOKRATISCH und nicht Neoliberal.
Und zu guter letzt werdet wieder Linker und hört endlich mehr auf die SJ und die Parteijugend , die geben gute themen vor.!!!
Wenn ihr das machen würdet,dann würde die SPÖ sicher wieder von mehreren leuten gewählt werden. Derzeit ist halt nur langeweile und Streit mit der ÖVP am Programm.
via Ingomar Pesz / FB
AntwortenLöschen....top Interview, liebe Sonja Ablinger.
Und du hast mit allem, das du darin feststellst, zu 100% recht. Ich hätte den Einleitungssatz noch etwas drastischer formuliert: Dass diese Partei immer autoritärer wird, liegt zum Großteil an Faymann und ein paar seiner Mitstreiter in der Löwelstraße.
Und was mich auch schön langsam sehr stört: Warum wirst du als Rebellin bezeichnet? Ist man tatsächlich schon ein Rebell, wenn man Dinge hinterfragt, bevor im im Parlament die Hand bei der Abstimmung hebt? Oder gilt man als Rebell, wenn man eine eigenständige Meinung, und diese bis in die letzte Konsequenz vertritt?
Das ist doch alles lachhaft.
Fernab der Diskussionen über Frauen und Männer, habe ich die letzten Tage die gesamte Thematik eindringlich verfolgt. Sehr viele Männer, Genossen und auch Funkionäre, stehen auch hinter dir, denn es geht hier um eine Grundsatzfrage: Was sind Beschlüsse innerhalb dieser Partei - in diesem Fall war es die Quotenfrage - überhaupt noch wert? Spricht man mit den Leuten, die es betrifft, unterstützt man sie? Findet man Lösungen, die auf einem Konsens beruhen.
Und ich darf dir sagen: Die Beschlüsse unserer Partei sind nur so lange etwas wert, so lange sich unsere Führungskräfte damit identifizieren. Geht es denen gegen den Strich, machen sie, was sie wolllen. Und die anderen Fragen sind durchwegs mit "Nein" zu beantworten. Es ist ihnen bereits zu mühsam geworden, nach bestmöglichen Lösungen für die Partei zu suchen. Sie wollen selbst möglichst großen Einfluss haben und versuchen diesen, mit aller Macht durchzusetzen. Wer dabei auf der Strecke, hat eben Pech gehabt. So oder ähnlich dürften die Gedankengänge einiger aus der Löwelstraße wohl sein.
Und das trifft jetzt nicht nur auf deinen Fall zu; ich selbst habe so etwas auch schon erlebt. Was das Schlimme daran ist: Sie merken nicht mehr, dass sie durch Verfolgung von Eigeninteressen der Partei nicht nur in der Öffentlichkeit massiv schaden, sondern auch durch und durch rote Funktionäre "den Hut draufhauen"; ich habe das erst heute wieder gehört.
Sollte es nicht anders möglich sein, müssen wir am Parteitag die erforderliche Diskussion führen (so diese zugelassen wird) und jedenfalls Maßnahmen daraus ableiten. Wenn sachliche Maßnahmen an der Uneinsichtigkeit einiger scheitern, dann wird sich das Missfallen an diesen Zuständen eben im Wahlergebnis des Parteivorstandes widerzuspiegeln haben. Denn eines steht fest: So kann und darf es nicht weitergehen - die Sozialdemokratie muss wieder "lebbarer" und vor allen Dingen offener werden. Das soll und muss unser Ziel sein ....