Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben sich wirtschaftspolitisch seit mehreren Jahrzehnten dem neoliberalen Modell verschrieben. Im Mittelpunkt steht die Schaffung freier Märkte, auch und besonders auf den Finanzmärkten, die Wirtschaftspolitik
konzentriert sich auf Preisstabilität und ausgeglichene öffentliche Haushalte.
Doch die Bedingungen für die Fortsetzung und Vertiefung dieses Modells haben sich im Zuge der Finanzkrise wesentlich verschlechtert – ökonomisch, ideologisch und auch
politisch. Auch die Fähigkeit des neoliberalen Entwicklungsmodells weite Teile der Bevölkerung zu erreichen und zu überzeugen, verblasst zunehmend.
Ökonomisch wird das Scheitern der neoliberalen Krisenpolitik immer deutlicher. Im siebten Jahr der Krise ist kein Ende absehbar. Im Gegenteil, die Eurozone taumelt bereits zum dritten Mal in diesem kurzen Zeitraum in eine Rezession.
Am Beginn der Krise stand der von den Vermögenden und zentralen AkteurInnen
der finanzmarktgetriebenen Akkumulation2 durchgesetzte Glaube an das theoretische Konstrukt freier, effizienter und wohlstandsschaffender (Finanz-)Märkte.
Die Folge war eine tiefe systemische Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2007/08.
Seither kommt die Regulierung und Schrumpfung des Finanzsektors kaum voran und die von ihm produzierten Kosten werden in großem Stil auf die Bevölkerung abgewälzt.
Mit dem raschen Umschwenken auf einen harten Austeritätskurs wurde die zweite Rezession der Jahre 2012/2013 von der Wirtschaftspolitik selbst verursacht.
Zusammen mit der aktiven Lohnsenkungspolitik in den Krisenländern3 entstanden so jene Kräfte, die die Eurozone nun in eine Deflation getrieben haben. Dieser Prozess ist bereits viel weiter vorangeschritten als allgemein vermutet und er ist äußerst gefährlich. Deflation erhöht den realen Wert der Schulden von Haushalten, Unternehmen und Staaten.
Die Entfernung kritischer Stimmen von Ämtern oder Mandaten ist kein Einzelfall in Europa. Und aus der Beobachtung der entsprechenden Prozesse lässt sich ableiten, dass über Jahre etablierte, neoliberale Pfadabhängigkeiten nur durch Druck eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses aufgebrochen werden können.
Gerade weil sich Wahrheiten nicht selbst zum Durchbruch verhelfen, stehen die UnterstützerInnen einer fortschrittlichen Wirtschaftspolitik vor der Herausforderung, ein Mosaik31 zusammenzusetzen, welches kritische Wissenschaft, soziale Bewegungen, die Gewerkschaften und fortschrittliche Parteien, grenzüberschreitend zu einem kohärenten Projekt zusammenfügt, das in der Lage ist, den autoritären Konstitutionalismus herauszufordern.
Quelle: infobrief 4/14 - eu & internationalDie Verselbständigung neoliberaler Wirtschaftspolitik in der EU
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