Montag, 3. März 2014

Armut - muss das sein?

Warum haben so viele Menschen nichts zu essen, obwohl doch genügend da ist?
Mehr als zwei Drittel der Menschen, die nicht genug zu essen haben, sind Kleinbauern.
Keine gesicherten Verhältnisse beim Landbesitz, zu niedrige Erzeugerpreise, mangelnder Zugang zu Saatgut und Dünger: All diese Faktoren tragen dazu bei, dass sich die Kleinbauern nicht aus der Hungerfalle befreien können.

Zudem schöpfen große Nahrungsmittelkonzerne aus der Produktion und der Vermarktung von Agrarprodukten
große Gewinne, während Millionen Menschen hungern und Kleinbauern vertrieben werden.


Ein Problem ist auch das sogenannte Landgrabbing, bei dem Regierungen oder auch Konzerne in anderen Ländern Ackerland kaufen oder pachten, um für ihre eigene Bevölkerung vorzusorgen oder Gewinne zu erwirtschaften.
„Immer mehr Menschen werden vertrieben, oft mit Gewalt, ohne vorherige Konsultation oder Entschädigung“, sagt die Oxfam-Agrarexpertin Marita Wiggerthale.
Laut Oxfam wurde in den vergangenen zehn Jahren Agrarland an internationale Investoren verkauft oder verpachtet,
dessen Fläche zusammengerechnet sechsmal so groß war wie Deutschland.

Einen weiteren Grund für den Welthunger sehen viele Experten in der Spekulation mit Nahrungsmitteln. So spekulieren Händler zum Beispiel auf steigende Getreidepreise und treiben diese damit in die Höhe. In der Folge ist es etwa in Ägypten zu Protesten gekommen, weil sich der Brotpreis verdoppelte. 

Die Weltbank schätzt, dass bedingt durch die Hochpreisphase 2007/2008 etwa 100 Millionen Menschen zusätzlich Hunger litten, weil sie die höheren Preise nicht mehr bezahlen konnten.

Die meisten armen Länder befinden sich in Afrika, wobei nicht alle Teile Afrikas arm sind. So ist Südafrika in seiner Entwicklung wesentlich weiter als zum Beispiel der Tschad oder Mauretanien. 

Der Oxford-Professor und ehemalige Leiter der Forschungsabteilung der Weltbank, Paul Collier, schlägt als Bezeichnung für die ärmsten Länder der Welt das Kürzel „Afrika+“ vor, wobei das Plus für Länder wie Haiti, Bolivien, Laos, Kambodscha, Myanmar, Jemen und Nordkorea steht.
Laut Weltentwicklungsbericht der Vereinten Nationen (Human Development Report) befindet sich unter den 20 ärmsten Ländern der Welt mit Afghanistan tatsächlich nur ein einziges, das nicht in Afrika liegt.

Hat die Globalisierung zur weltweiten Armut beigetragen? Das kommt darauf an, welche Weltregion man betrachtet.
So sind manche ehemals sehr arme Länder Gewinner der Globalisierung, weil sie aufgrund der niedrigen Lohnkosten
produktionsintensive Industrien angezogen haben. Sportartikelhersteller oder auch Computerfirmen lassen billig in Südostasien produzieren, wodurch es dort einen Aufschwung gab – auch wenn es berechtigte Kritik an den Arbeitsbedingungen gibt.
„Die Globalisierung hat die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen seit 1990 in Indien um 200 Millionen und in China um 400 Millionen verringert“, schreibt der US-amerikanische Wirtschaftsprofessor Jeffrey Sachs, der auch die UN berät. Die Entwicklung in Asien hat aber auch dazu geführt, dass manche Länder in Afrika noch weniger Chancen haben, der Armut zu entkommen, da sich die Investitionen weltweiter Unternehmen und Banken auf andere Länder konzentrieren.
Auch, dass Kapital so mobil wie nie zuvor ist, gereicht den armen Ländern eher zum Nachteil: So werden Vermögen eher dort investiert, wo man schnell hohe Renditen erzielen kann. Anstatt dringend benötigtes Privatkapital zu bekommen, fließt das Geld aus armen Ländern sogar ab. So befand sich bereits 1990 mehr als ein
Drittel der Privatvermögen Afrikas im nichtafrikanischen Ausland.

Manchmal wird in politischen Debatten der Verdacht laut, arme Menschen wollten aus ihrer Situation gar nicht mehr heraus. Arme Menschen werden oft pauschal als disziplinlos, träge und faul verunglimpft.
Sogar sozialdarwinistisch geprägte Erklärungen, wonach die angeborene Intelligenz eines Menschen darüber bestimmt, ob er arm bleibt oder reich wird, haben Konjunktur. Thilo Sarrazin knüpfte mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ an diese Tradition ebenso an wie der US-amerikanische Politologe Charles Murray in „The Bell Curve“.

Deren Gegner verweisen jedoch auf strukturelle Probleme, für die die Armen nicht verantwortlich sind.
Gründe also, die man nur durch gesellschaftliche Veränderungen beheben kann.
Gemeinnützige Organisationen empfehlen auch Familienschulungen, Beratungen und Sozialarbeit, die schon bei der Erziehung ansetzen. Um die Kinder bereits in der Schule so zu fördern, dass sie gar nicht erst in die gleichen Verhaltensmuster verfallen wie die Elterngeneration. Denn das schränkt die Kinder später erheblich ein in ihrer Möglichkeit, den ärmlichen Lebensverhältnissen zu entkommen.
Auch für Erwachsene gilt: Sind die Lebensverhältnisse durch Verarmung erst einmal finanziell, psychisch
und räumlich beengt, kann sich niemand mehr so einfach dafür „entscheiden“, sein Leben zu ändern.


Quelle: Auszüge aus Fluter / Armut
von Oliver Gehrs und Oliver Geyer

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