Freitag, 29. Januar 2016

Warum schweigen (wir,) die Lämmer?



Auszug aus der Einleitung: "Die Antipolitischen"!

In der Geschichte unserer Demokratien scheint ein neues Kapitel anzubrechen. Doch wie immer gelingt es uns kaum zu erkennen, was sich vor unseren Augen abspielt.
Zwanzig Jahre »Showpolitik«, Verhöhnung und technokratischer Auswüchse haben, im Kontext der wirtschaftlichen und moralischen Krise, ein gekränktes Volk erzeugt, das sich, hyperaktiv oder apathisch, aus Protest oder reinem Überdruss, vor allem gegen seine Eliten wendet, und zwar gegen alle, ob politische, wirtschaftliche oder mediale, denen es vorwirft, es verraten und im Stich gelassen zu haben.
...

Die Krise des alten Kapitalismus, die mit der sich abzeichnenden Internetrevolution zusammenfällt, wird laut Grillo zu einer Tabula rasa à la 1789 führen! »Wir sind eine Revolution ohne Guillotine«, verkündet er. Der
Komiker wird nicht müde, das Verschwinden des »alten Systems« mit allem Nachdruck zu beschwören. Die politischen Parteien seien schon tot, die Gewerkschaften und die traditionellen Medien ebenfalls, selbst die Wahlen und das Parlament seien bedroht!
...

Das Jahr 2011 markiert, was den Aufschwung dieser Antipolitik in den westlichen Ländern betrifft, einen Wendepunkt. Diese Tatsache hat wenig Aufmerksamkeit hervorgerufen.
Dennoch äußert sich in dieser Gleichzeitigkeit eine bisweilen noch unsichere Geisteshaltung, die nach dem Welterfolg von Stéphane Hessels Buch Empört euch! erstarkte:
Am 15. Mai 2011 begannen die spanischen Indignados mit ihrer Besetzung der Puerta del Sol in Madrid.
Ihnen folgten im gleichen Jahr die Griechen von Aganaktismeni (die »Zornigen«), die Amerikaner von Occupy Wall Street, die sich als Vertreter der »99 % Habenichtse« gegenüber den »1 % Besitzenden« verstehen, oder die Deutschen der Piratenpartei, Vertreter der Internetgeneration, die 2011 fünfzehn Sitze im Berliner Landesparlament errangen.
Im gleichen Jahre reformierten auch die Isländer per Internet ihre Verfassung, was die Antipolitiker in ihren Glauben an die Macht des Netzes bestätigte! Das stark von der Subprime-Krise betroffene Island zeigt heute das lächelnde Gesicht dieser aktiven Antipolitik, doch in Meinungsumfragen erklären 90 % der Bürger, keinerlei Vertrauen in die isländischen Politiker mehr zu haben.
Diese Antipolitik ist nicht nur, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, ein Sammelsurium isolierter Phänomene, sondern vielmehr Anzeichen einer tiefen Krise unserer Demokratien, wie das Beispiel Italien lehrt. Wohin wird sie führen?
Der Durchbruch des Web 2.0 markiert eine Revolution von nicht geringerer Bedeutung als die Entstehung des Buchdrucks zu Beginn der Renaissance. Diese Web-Revolution wird unweigerlich tief reichende Konsequenzen für unsere demokratischen Institutionen haben.
»Nichts wird mehr sein wie zuvor«

Siehe auch:

http://bilgungwissen.blogspot.nl/2015/11/die-antipolitischen.html
"In der Geschichte unserer Demokratien scheint ein neues Kapitel anzubrechen." Mit diesem vielversprechenden Satz beginnt der Essayband über "Die Antipolitischen". Doch der Autor, der Pariser Professor für Rechtsgeschichte und Politik, Jacques de Saint Victor, meint es negativ.

Rebellion gegen die alte Politik

Zentrale Figur der "Antipolitischen" ist für ihn der italienische Komiker Beppe Grillo, der 2013 in Italien mit seiner Bewegung "Fünf Sterne" aus dem Stand ein Drittel der Parlamentsplätze holte und der das Verschwinden des alten Systems mit Parteien, Gewerkschaften und Parlamenten prognostiziert. De Saint Victor stimmt dieser Einschätzung durchaus zu und spricht selber von einer "Rebellion gegen die alte Politik", allerdings qualifiziert er diese Bewegung ab: "Diese Antipolitik ist nicht nur ein Sammelsurium isolierter Phänomene, sondern vielmehr Anzeichen einer tiefen Krise unserer Demokratien."


der komplette Artikel:


Warum schweigen die Lämmer?
 – Demokratie, Psychologie und Empörungsmanagement.
Verantwortlich: Albrecht Müller
Hinter diesem Titel verbirgt sich der bemerkenswerte Vortrag des Kieler Psychologieprofessors Dr. Rainer Mausfeld. Es lohnt sich, diesen Vortrag anzuhören/anzuschauen, und es empfiehlt sich, Freunde, Nachbarn und Familie zur Diskussion einzuladen. Mausfeld nimmt uns, soweit noch vorhanden, die letzten Illusionen zum Zustand der Demokratie, zum Missbrauch unserer Sympathie für Demokratie und zur Gewalttätigkeit unserer westlichen „Werte“gemeinschaft. Desillusionierung schadet nicht. Außerdem: Der Vortrag ist aktuell – wegen Griechenland, wegen der spürbaren Bereitschaft zu militärischen Auseinandersetzungen, wegen der alltäglichen Gewalt. Wir bieten Ihnen nicht nur die Links zum Vortrag, auf die anschließende Diskussion und auf ein Interview mit Professor Mausfeld bei Phoenix – zum leichteren und nachhaltigen Umgang mit dem Vortrag bieten wir hier
[PDF – 352 KB]
http://www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/150715-zusammenfassung-warum-schweigen-die-laemmer-1_.pdf
auch noch eine Zusammenfassung und Handreichung, die die NachDenkSeiten-Leserin S.H. dankenswerter Weise zusammengestellt hat. Albrecht Müller.

Rainer Mausfeld: „Warum schweigen die Lämmer?“ - Diskussion

Vortrag an der Christian Albrechts Universität Kiel, am 22.06.2015:
Warum schweigen die Lämmer? Demokratie, Psychologie und Empörungsmanagement.
Prof. Dr. Rainer Mausfeld


Quelle:
Nachdenkseiten
WDR
Christian Albrechts Universität Kiel
Prof. Dr. Rainer Mausfeld
Albrecht Müller
Jacques de Saint Victor


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