Montag, 13. Mai 2019

Der rote Arbeiter-Kaplan Franz Sieder - 12. Mai 2019

 "Gerechtigkeit und Frieden küssen sich"
Kaplan Franz Sieder


.
.
Predigt beim Friedensgottesdienst
am 12. Mai 2019 in der Kirche St. Johann Nepomuk in 1020 Wien
.
Ich möchte unsere Welt mit einem Fußballfeld vergleichen. Die Welt ist aber ein schiefes Fußballfeld. Ein Teil der Menschheit muss auf diesem schiefen Fußballfeld immer bergauf spielen und der andere Teil spielt bergab.
Wir in Österreich sind eines der reichsten Länder der Erde und spielen natürlich bergab. Wenn die Welt eine gerechte Welt wäre, dann müssten alle Menschen der Erde auf einem ebenen Fußballfeld spielen können.
Unser Privileg ist nur die Gnade unserer Geburt, dass wir in
einem wohlhabenden Land geboren wurden. Wenn wir in einem armen Land geboren worden wären,dann gehörten wir heute auch zu den Flüchtlingsströmen oder wir wären schon als Kinder verhungert.
Leider haben sich die Menschen in den höher entwickelten  Ländern mit den Ungerechtigkeiten, die es in der Welt gibt, abgefunden - es sind jene Länder, wo die Menschen bergab spielen. Sie werden nur seit einigen Jahren verunsichert und aufgerüttelt, weil Flüchtlingsströme aus den armen Ländern in die reichen Länder kommen.
Die Flüchtlinge haben es satt, ständig bergauf spielen zu müssen. Sie sagen sich: „Wir haben auch ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben, auf ein Leben, wo unsere Kinder nicht verhungern müssen, wo wir das bekommen, was jeder Mensch zu einem anständigen Leben braucht.“
.
Dass die Welt ein schiefes Fußballfeld ist, das ist nicht einfach Schicksal, das wir hinnehmen müssen- und das ist schon gar nicht gottgewollt. Alle Menschen sind Kinder des einen Vaters im Himmel und Gott möchte, das es allen seinen Kindern gut geht. Das Fußballfeld wird auch nicht eben, wenn wir noch mehr Caritas üben, wenn wir noch mehr
spenden, wenn wir noch mehr Entwicklungshilfe geben - wenn wir den “armen Hunden“ helfen.
Das ist Barmherzigkeit und Barmherzigkeit ist sicher gut und christlich, aber die Barmherzigkeit und das Almosengeben
helfen nicht, das Fußballfeld eben zu machen. Dazu braucht es Gerechtigkeit. Erzbischof Gänswein, der Sekretär des Papstes, sagt: „Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist Heuchelei.“
Ich versuche, die Gerechtigkeit immer zu erklären mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter. In diesem Gleichnis berichtet Jesus von einem Mann, der unter die Räuber gefallen ist, der ausgeplündert und wundgeschlagen wurde. Der Fremde, der Samariter,der vorbei gekommen ist, hat ihm geholfen. Er hat seine Wunden verbunden und ihn in ein Spital gebracht.
Das, was er getan hat, das ist Barmherzigkeit - ist getane Nächstenliebe. Die Gerechtigkeit beginnt mit der Räuberbekämpfung - dass wir uns einsetzen, dass es eines Tages keine Räuber mehr gibt, die andere ausplündern und
wundschlagen.
Wenn ich das auf unsere heutige Wirklichkeit übertrage, dann ist der Haupträuber, der ununterbrochen Armut produziert und das Fußballfeld schief macht - dieser Haupträuber ist das neoliberale kapitalistische Wirtschaftssystem.
Ein System, das nicht den Menschen zum Ziel hat, sondern nur die Vermehrung des Profits. Dieses System, das sich heute über die ganze Welt ausbreitet, ist wie eine Mauer, die ein Mehr an Gerechtigkeit verhindert und ist die Ursache von ungeheuer viel Elend in der Welt. Millionen von Menschen sterben jedes Jahr auf den Schlachtfeldern des Kapitalismus an Hunger.
Papst Franziskus geißelt daher mit Recht diese kapitalistische Wirtschaft, wenn er sagt, dass diese Wirtschaft tötet und dass in dieser Wirtschaft Menschen wie Müll entsorgt werden.

Gerechtigkeit heißt, dass durch diePolitik weltweit Strukturen geschaffen werden, die es verhindern, dass die einen ungeheuer reich werden und andere an Hunger sterben müssen - Strukturen, die verhindern, dass die Kluft zwischen Reich und Arm immer weiter auseinandergeht, Strukturen, die eine ununterbrochene Umverteilung von Reich zu Arm bewirken.
.
So wie Dietrich Bonhoeffer gesagt hat, dass wir dem Rad des Nationalsozialismus in die Speichen greifen müssen, so müssen wir heute sagen, dasswir dem Rad des Kapitalismus in die Speichen greifen müssen, umzu einem Mehr an Gerechtigkeit in unserer Welt zu kommen.
Sogar der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat gesagt: "Wir brauchen in der Welt wieder mehr Marxismus, um den ungezügelten Kapitalismus zähmenzu können."

Jesus geht es darum, dass sein Reich - das Reich Gottes auf dieser, unserer Welt verwirklicht wird. Reich Gottes im Verständnis von Jesus heißt, dass unsere Welt gerechter und friedlicher wird, dass wir an einer Welt bauen, wo alle Menschen der Erde ein gutes Leben haben, wo alle in Freiheit und Würde leben können. An einer solchen Welt
mitzuarbeiten, das ist auch unsere wichtigste Berufung, die wir als Christinnen und Christen haben.
.
Wir befinden uns in der österlichen Zeit. Jesus hat bei seinen
Erscheinungen als Auferstandener die Apostel immer begrüßt mit dem Gruß: „Der Friede sei mit euch.“
Der Friede war Jesus ein Herzensanliegen und ist ihm auch heute ein Herzensanliegen. Friede im Verständnis von Jesus
ist aber mehr als dass es zwischen Ländern oder in einem Land keinen Krieg gibt. Friede in der Intention von Jesus ist die Realisierung der demokratischen und sozialen Grundrechte für alle Menschen unserer Erde.
Freilich leben wir noch nicht in der vollkommenen Welt und es wird auch in Zukunft immer wieder zu Konflikten kommen. Eine Grundthese bleibt aber, dass die Gerechtigkeit das wichtigste Grundelement für einen dauerhaften Frieden ist.
In der Heiligen Schrift steht der Satz:
„Gerechtigkeit und Frieden küssen sich.“ (85. Psalm)
Im Ringen um einen dauerhaften Frieden sagt uns Jesus auch, dass Konflikte, wenn es nur irgendwie möglich ist, nicht militärischer Gewalt, sondern durch Dialog gelöst werden sollen.
.
Der primitive Krieg beginnt immer dort, wo die Sprache aufhört. Jesus geht sogar noch weiter, er empfiehlt uns die Feindesliebe.
Feindesliebe heißt, dass ich den Feind, den Gegner nicht vernichten möchte - dass ich eine Sensibilität haben für die Leiden des eigenen Volkes, aber auch für die Leiden des Feindes - auch sie sind Menschen, die leiden und letztlich auch Kinder des einen Vaters im Himmel sind.Wenn wir diese Feindesliebe nicht haben, dann wird die Spirale der Gewalt nie unterbrochen.
.
Die Kirche feiert heute den Guten Hirten Sonntag. Im Evangelium haben wir gehört, dass Gott der gute Hirte für uns Menschen ist. Jesus hat einmal unterschieden zwischen dem guten Hirten und dem bezahlten Knecht.
Dem guten Hirten ist der Mensch ein Anliegen - er / sie hat eine Empathie. Den guten Hirten interessiert es, wie es dem / der anderen wirklich geht. Er / sie hat ein Herz für die anderen Menschen, besonders für die Schwachen und Zukurzgekommenen unserer Gesellschaft.
Der bezahlte Knecht macht nur seinen Job - ihm ist der Mensch eigentlich wurscht - er hat kein Herz für die anderen.
.
Wenn ich die aktuelle Politik in Österreich denke, dann sind der Herr Kurz und der Herr Kickl wahrhaft keine guten Hirten - schon gar nicht in der Flüchtlingspolitik.
Wenn sie die Aufnahmelager für die „armen Hunde“ in „Ausreiselager“ umbenennen und wie sie die  AsylwerberInnen bei uns als billige Arbeitssklavinnen und Arbeitssklaven einsetzen möchten, dann ist kein Geist des guten Hirten vorhanden und einesolche Politik bezeichne ich als grauslich und unchristlich.
.
Wenn wir die Gesinnung des guten Hirten in uns haben möchten, dann sollen wir eine Sensibilität haben gerade für die Ärmsten unserer Gesellschaft, dann dürfen wir nicht mitheulen mit denen, die über die sogenannten Gutmenschen schimpfen, dann darf der Mensch für uns nie zur Nummer werden, jeder Mensch muss ein Mensch bleiben.
.
Ich habe vor einigen Wochen hier in Wien im Rathaus einen Vortrag des berühmten Schweizer Soziologen Jean Ziegler gehört. Er sagt dort den Satz:
„Gott hat nur unsere Hände, um die Welt gerechter zu machen.“
Gott, der der gute Hirte für alle Menschen ist, braucht gute Hirtinnen und Hirten auf dieser Welt, damit der Prozess der Humanisierung voranschreitet. Er braucht deine und auch meine Hände - er braucht deinen und auch meinen Mund.
.
.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen