Montag, 24. November 2014

Grundsatzprogramm der SJ Österreichs - Teil 12: Kunst und Kultur

Kunst und Kultur


Als Marxistinnen und Marxisten verstehen wir Kunst und Kultur als Phänomen des Überbaus, das ebenso wie Religion und Philosophie aus der ökonomischen Basis der Gesellschaft entsteht.
Kunst ist sowohl eine Reaktion auf gesellschaftliche Kämpfe und damit Teil des kollektiven Bewusstseins, als auch der individuelle Ausdruck des autonomen Individuums in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt.


„Kultur“ meint nicht weniger als die Gesamtheit der Lebensäußerungen einer Gemeinschaft. In der gesellschaftlichen Auseinandersetzung wird „Kultur“ in einem elitären Verständnis oft auf geistige oder „klassische“ künstlerische Tätigkeiten – zumeist getragen von VertreterInnen der Eliten – reduziert. Als MarxistInnen erkennen wir die herrschenden Ideen als die Ideologie zur Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft einer schmalen Elite.

Der Begriff Kultur lässt sich nicht vom Alltag der breiten Massen abgrenzen und auf gehobene Unterhaltung des BildungsbürgerInnentums im Theater, Konzerthaus oder Museum beschränken. 


Das Produkt jeglichen kulturellen Handelns ist Kunst. Die verbreiteten Annahmen, KünstlerInnen besäßen im Unterschied zu anderen Menschen außergewöhnliche Begabungen wie einen „göttlichen Funken“ oder das Wort Kunst käme von „Können“, schließen den Großteil der Menschen aus der Kunstproduktion aus und lassen ihnen bestenfalls eine Rolle als BetrachterInnen.
Was in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft als Kunst gilt, spielt sich zum überwiegenden Teil fernab von der Lebensrealität der arbeitenden Menschen ab. 


Kunst im Kapitalismus

Dieser elitäre Kunstbegriff spiegelt die kapitalistischen Verhältnisse wieder, weil sich Kunst erst als Kunst verkaufen muss, um als solche wahrgenommen zu werden. Diese Auswüchse der kapitalistischen Verwertungslogik dienen nur der Fortsetzung der Klassenherrschaft.
Unser Kunst- und Kulturbegriff basiert auf einem prinzipiell egalitärem und emanzipativen Gesellschaftsverständnis; kommt sozusagen „von unten“.
Wir setzen uns für die Förderung von Kunstrichtungen der Subkultur und Avantgarde ein. Gerade für junge KünstlerInnen ist es schwer, in den oftmals informellen Strukturen Fuß zu fassen.


Der bürgerliche Kulturbegriff erschöpft sich in der Subventionierung der Museen, der Theater- und Opernhäuser in den Ballungszentren. Kunst wird ausgestellt, angepriesen und vermarktet. [...]
Die Kunst wird zu Markte getragen und die Kulturindustrie ist längst zu einem der wichtigsten Märkte der globalisierten Welt geworden. Kunst wird zu etwas, das sich neben dem Leben abspielt. Kultur findet statt – aber keine Alternative. Die Totalität des menschlichen Ausdrucks wird von den Konzernen nutzbar gemacht, das Kunstwerk zur Ware, die der kapitalistischen Verwertungslogik ebenso unterworfen ist wie jedes andere Produkt. Entfremdung ist der Kern dieser Kunst, nicht als Gegenstand eines reflexiven Prozesses sondern als Wesensmerkmal. [...]
Kunst muss von ihrem Podest gestoßen werden, um zur Selbstverständlichkeit in einer freien Gesellschaft zu werden. Sie muss und soll nicht verwertbar sein, sie braucht keinen Markt, ihren Wert bestimmt sie autonom – und in ihrem Beitrag zum Aufbau des Sozialismus.


Die Rolle von Kunst für eine fortschrittliche Gesellschaft

In der liberalen bürgerlichen Gesellschaft wird die Freiheit der Kunst oft damit als erfüllt angesehen, dass sie keine konkreten Funktionen hat und keinen Nutzen braucht, sondern eben für sich „l’art pour l’art“ (Kunst um der Kunst willen) steht. Damit wird Kunst zum bloßen Luxus abgekoppelt von jeder gesellschaftlichen Auseinandersetzung.

Wir betrachten Kunst als Instrument zur Darstellung und Reflexion gesellschaftlicher Widersprüche und Schaffung neuer Perspektiven. Kunst hat auch den Auftrag zur Konfrontation. Sie soll kein „Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet“ sein, wie es Karl Marx formulierte.
Solcherart progressive Kunst hat einen wesentlichen Nutzen für eine fortschrittliche Gesellschaft, indem sie zur Kritik anregt und Widersprüche aufzeigt. „Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit“, der bürgerlich-liberale Ansatz von Kunst, die „alles darf“ wird von uns nicht unkritisch übernommen. Wir bekennen uns nachdrücklich zur Darstellungsfreiheit des Kunstwerks, denn in der Kunst müssen die gesellschaftlichen Widersprüche, jedes Problem und Tabu dargestellt und thematisiert werden können.


Kunst für alle, Kunst von allen!
Damit Kunst einen Beitrag zu einer fortschrittlichen Gesellschaft leisten kann, muss sie ein Teil der Lebenswelt aller Menschen werden und darf sich nicht auf die in Museen und Galerien verwahrten Werke einiger „KünstlerInnen“ beschränken. Da jeder Mensch individuelle Fähigkeiten besitzt, die solidarisch für die Gesellschaft nutzbar gemacht werden können, kommt es dabei nicht darauf an, KünstlerIn im herkömmlichen Sinn sein zu wollen.

Gleichzeitig setzen wir uns als SozialistInnen für die arbeitsrechtliche Gleichstellung all jener ein, die künstlerische Betätigung als Lohnarbeit ausüben. Für sie soll genauso wie für anderen Lohnabhängige eine Sozialversicherung gewährleistet sein. Darüber hinaus geht es darum, allen Menschen das Erschließen ihres schöpferischen Potentials und kreatives Schaffen zu ermöglichen.
Grundlage dafür ist eine breite Förderung von Kunstschaffen im öffentlichen Raum und die Subventionierung progressiver Kunst, die sich nicht den Prinzipien des Marktes unterwirft. Gleichermaßen treten wir dafür ein, Kunst und die Auseinandersetzung mit Kunst allen Menschen zugänglich zu machen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen