Donnerstag, 20. November 2014

Grundsatzprogramm der SJ Österreichs - Teil 5: Arbeitswelt


Arbeitswelt; Arbeit ist die Grundvoraussetzung menschlicher Existenz


In der Geschichte der Menschheit haben die letzten 200 Jahre wohl den raschesten und einschneidensten Wandel von Wirtschaft und Arbeitswelt gebracht. Durch die Industriellen Revolutionen konnte sich die Wirtschaftsleistung in einem bis dahin ungeahnten Tempo vervielfachen. Menschliche Arbeit konnte durch den gigantischen technischen Fortschritt produktiver und effizienter genutzt werden, bleibt aber letztlich die unersetzbare Grundlage für die Schaffung von Gütern und Dienstleistungen.
Nicht der Großmut und die Entscheidungskraft einiger Konzernherren, sondern die Arbeit von FabriksarbeiterInnen, Büroangestellten, BusfahrerInnen, LehrerInnen, ÄrztInnen, KrankenpflegerInnen etc. und nicht zuletzt die zumeist unbezahlte Haus- und Pflegearbeit schaffen den uns gewohnten gesellschaftlichen Wohlstand.

Kapitalismus ist undemokratisch

Die entscheidende Rolle, die den Menschen zukommt, die durch ihre Arbeit unseren Lebensstandard ermöglichen, spiegelt sich in unserem Wirtschaftssystem allerdings keineswegs wieder. Die wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen über Produktion, Arbeitsbedingungen, über Investitionen und Arbeitsverteilung liegen im Kapitalismus nicht bei den direkt davon Betroffenen, sondern bei den UnternehmerInnen, ob als EigentümerInnen oder als ManagerInnen.
Demokratische Grundprinzipien sind aus einem unserer wichtigsten Lebensbereiche, dem Wirtschaftsleben, noch immer weitgehend ausgeschlossen.

Ausbeutung der ArbeiterInnen

Der Kapitalismus teilt die Menschen in solche, die über Kapital verfügen und andere für sich arbeiten lassen können und solche, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt aufbringen zu können. In der den ArbeiterInnen abverlangten Arbeitszeit erzeugen sie in der Regel mehr, als sie in Form von Löhnen (zuzüglich aller staatlichen Abgaben) erhalten. Den Überschuss schöpfen die UnternehmerInnen als „Gewinn“ ab. Tatsächlich handelt es sich bei diesem „Gewinn“ aber um den Beschäftigten vorenthaltene Lohnteile. Reichtum einiger weniger setzt deshalb immer die Ausbeutung und relative Armut einer viel größeren Gruppe voraus.

Die Rolle unbezahlter Hausarbeit

Um dauerhaft die Arbeitskraft von LohnarbeiterInnen ausbeuten zu können, bedarf es ihrer ständigen Reproduktion, d.h. LohnarbeiterInnen müssen über Zeit und Lebensmittel verfügen, um ihre Kräfte zu erneuern. Doch auch die Reproduktion von Arbeitskraft erfordert Arbeit, z.B. Kochen, Putzen, Kinder betreuen, etc. Diese Arbeit wird allerdings zum größten Teil unbezahlt von Frauen erbracht, ein Umstand, der Frauen zu doppelt Ausgebeuteten macht. Die Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft erfordert deshalb nicht nur, dass Frauen im Erwerbsleben endlich gleichbehandelt werden (gleicher Lohn für gleiche Arbeit), sondern eben auch, dass Haus- und Betreuungsarbeit weitgehend vergesellschaftet bzw. partnerschaftlich aufgeteilt wird, denn nur dadurch kann tatsächliche Gleichheit der Geschlechter gewährleistet werden.


Der Markt erzeugt Krisen

Wir erleben im Kapitalismus aber nicht nur eine ungerechte Verteilung gesellschaftlichen Wohlstands. Die Mechanismen des freien Marktes sorgen auch dafür, dass in einer Welt, die in weiten Teilen noch immer von Hunger, Elend und Mangel regiert wird, regelmäßige „Überproduktionskrisen“ auftreten; dass die Produktion dringend benötigter Güter eingestellt wird bzw. Millionen Tonnen bereits erzeugter industrieller und landwirtschaftlicher Güter vernichtet werden, weil es keine finanzkräftige Nachfrage danach gibt; dass gleichzeitig durch immer aufwendigere Werbung Bedürfnisse künstlich erzeugt werden; dass Forschungs- und Produktionsentscheidungen nicht nach gesellschaftlicher Nützlichkeit, sondern nach Profitaussichten getroffen werden.

Es sind die Mechanismen des Marktes, das unkoordinierte Agieren konkurrierender Unternehmen, die regelmäßige Krisen erzeugen. Und es sind die unternehmerischen Reaktionen, durch „Rationalisierungen“, Lohnkostensenkungen und Entlassungen die „Wettbewerbsfähigkeit“ zu erhöhen, durch die sich gesamtwirtschaftlich die Spirale von Krise, Arbeitslosigkeit und sinkenden Einkommen fortsetzt.

Neue Unsicherheiten in der Arbeitswelt

Teil dieser aktuellen Rationalisierungsmaßnahmen ist die Erhöhung des Drucks auf die arbeitenden Menschen, die Absenkung von Lohnkosten und ein Abbau sozialstaatlicher Leistungen.

In diesem Zusammenhang ist die – von Neoliberalen häufig als „Zukunftskonzept“ gefeierte – Forcierung atypischer Beschäftigungsverhältnisse, Teilzeitarbeit, Scheinselbstständigkeit etc. zu sehen.
Ebenso wie bei der „Flexibilisierung“ von Arbeitsrecht bzw. Arbeitszeiten, beim Abbau sozialer Leistungen und bei der Förderung des „Niedriglohnsektors“ geht es darum, den Druck auf die Beschäftigten zu erhöhen und ihren Anteil am Wirtschaftsprodukt zugunsten der Profite abzusenken.


Die Rolle der Arbeitslosigkeit

Die weltweit herrschende Massenarbeitslosigkeit ist dabei keine zufällige und unbeabsichtigte Nebenerscheinung, sondern wird von neoliberaler Politik bewusst herbeigeführt bzw. in Kauf genommen. Arbeitslosigkeit wird als Waffe eingesetzt, um Löhne zu drücken und Rechte zu beschneiden. Sie dient als eines der wichtigsten Instrumente, um Selbstbewusstsein, Solidarität und Kampfkraft der arbeitenden Menschen zu zerstören und so eine Umverteilungspolitik von unten nach oben zu ermöglichen.

Umverteilung von Unten nach Oben

Diese Umverteilung erfolgte nicht nur durch eine Verschlechterung der Arbeitssituation, sondern auch durch die Gestaltung öffentlicher Finanzen. Die Privatisierung vormals staatlicher Industrien und öffentlichen Dienstleistungen in Form von Verkauf und Liberalisierungen eröffnen neue Felder für die Profitwirtschaft. Steuerpolitisch werden Gewinn- und Vermögenssteuern gesenkt, während Konsum- und Lohnsteuern deutlich angehoben werden.

Grundsätze sozialistischer Wirtschaftspolitik

Sozialistische Wirtschaftspolitik hat zum Ziel, alle Menschen mit den ihren Bedürfnissen entsprechenden Gütern auszustatten und der Demokratie auch im Wirtschaftsleben zum Durchbruch zu verhelfen. Wir kämpfen für die soziale Besserstellung der arbeitenden Menschen und für ihr Recht, über ihre Leben selbstständig entscheiden zu können.

Deshalb richtet sich unser Kampf auch auf die Überwindung des Kapitalismus, der einigen Wenigen Reichtum und Privilegien verschafft, indem er der großen Mehrheit Rechte, Möglichkeiten und Lebensqualität vorenthält. Wir fordern die Ersetzung des Privateigentums an den Produktionsmitteln durch gesellschaftliches Eigentum und eine demokratische Verwaltung der Wirtschaft.

Denn wir sehen soziale Gleichheit als Notwendigkeit an, um tatsächlich in allen Lebensbereichen Fremdbestimmung durch demokratische Grundsätze zu ersetzen. Erst die soziale Gleichstellung aller Menschen ermöglicht die Durchsetzung echter Freiheit und gesellschaftlicher Demokratie. Damit schaffen wir auch die Grundlage, um die geistigen und körperlichen Potenziale aller Menschen für die Steigerung der allgemeinen Lebensqualität nutzbar zu machen.

Wir sind der Überzeugung, dass Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit, soziale Ungleichheit und Elend, Unfreiheit und mangelnde Wirtschaftsdemokratie nicht naturgegeben sind, sondern durch unser gemeinsames Handeln beseitigt werden können. Nachstehend wollen wir einige Schritte skizzieren, mit denen wir eine Überwindung der herrschenden Missstände einleiten wollen.


Kampf gegen Arbeitslosigkeit

Die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung ist eine zentrale Aufgabe sozialistischer Wirtschaftspolitik.

Wir wollen durch die Schaffung gutbezahlter und sicherer Arbeitsplätze und die Beseitigung von Lohn- und Sozialdumping im Rahmen atypischer Beschäftigungsverhältnisse Vollbeschäftigung wiederherstellen. Mit der dadurch bewirkten Verbesserung der Lebenssituation Millionen arbeitender Menschen, stärken wir auch die Position der organisierten ArbeiterInnenschaft im Kampf um die soziale Gleichstellung aller Menschen.

Vollbeschäftigungspolitik bedarf einer radikalen Umverteilung von Einkommen und Vermögen von Oben nach Unten. Damit werden die BezieherInnen niedriger Einkommen in die Lage versetzt, zusätzliche, dringend benötigte, Güter kaufen zu können und damit die effektive Nachfrage zu erhöhen.


Umverteilung durch Steuerpolitik

Die Sozialistische Jugend fordert eine umfassende Umverteilung der steuerlichen Lasten, die momentan hauptsächlich von den arbeitenden Menschen getragen werden. Wir verlangen eine drastische Anhebung der Steuern auf Vermögen und Spitzeneinkommen durch

  • die Beseitigung von Steuerprivilegien für Vermögen (z.B.„Privatstiftung“)
  • die Anhebung der Grundsteuer
  • Wiedereinführung der Vermögensteuer
  • Erhöhung der Gewinnsteuern
  • Erhöhung der Erbschaftssteuer und Verstärkung der Progression
  • Verstärkung der lohnsteuerlichen Progression, Erhöhung des Spitzensteuersatzes
  • die Einführung der Tobin-Steuer und von Kapitalverkehrskontrollen, um Spekulation und Steuerflucht entgegenzuwirken.
  • Erhöhung der Steuern auf Kapitaleinkünfte
Diese zusätzlichen Finanzmittel sollen zum Ausbau verbesserter öffentlicher Dienstleistungen und zur
  • Senkung der unteren und mittleren Lohnsteuerklassen
  • Einführung einer Negativsteuer
  • schrittweisen Abschaffung indirekter Steuern wie der Mehrwertsteuer
genutzt werden.

Wir wollen mit diesen Schritten nicht nur in Österreich zu einer deutlich gerechteren Verteilung der Einkommen beitragen, wir sind auch überzeugt, dass eine verbesserte internationale Zusammenarbeit zur Schließung von Steuerschlupflöcher und zur Verhinderung eines internationalen Steuerwettbewerbs sinnvoll ist, um die Wirkung umverteilender Steuergesetze noch weiter zu erhöhen.


Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich

Die wachsende Produktivität unserer Wirtschaft ermöglicht es uns, in kürzerer Zeit mehr Produkte zu erstellen. Das ermöglicht kürzere Arbeitszeiten, ohne auf uns gewohnte Güter verzichten zu müssen. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich schafft aber nicht nur ein größeres Maß an Lebensqualität, sondern auch mehr Arbeitsplätze und größere soziale Gerechtigkeit.

Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich würde den Trend der vergangenen Jahrzehnte – große Teile der Produktivitätssteigerungen den arbeitenden Menschen vorzuenthalten – umdrehen und Einkommen von oben nach unten umverteilen. Das würde zusätzliche Kaufkraft schaffen und den Arbeit schaffenden Effekt weiter verstärken.


Verstaatlichung und Vergesellschaftung

Wir sehen in der Verstaatlichung von Banken und strategisch wichtiger Industrien einen wichtigen Schritt, um auf das Wirtschaftsleben planend Einfluss zu nehmen. Sozialistische Verstaatlichungspolitik darf sich aber nicht darin erschöpfen, einige Schlüsselunternehmen (vorübergehend) unter die Kontrolle staatlicher Bürokratie zu stellen, sondern muss vielmehr darauf abzielen, immer weitere Teile der Wirtschaft unter die direkte demokratische Verwaltung durch die arbeitenden Menschen stellen.


Planung der Wirtschaft

Wir sind überzeugt, dass wir Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen nur dann dauerhaft überwinden können, wenn wir das durch marktwirtschaftliche Profitlogik erzeugte Chaos der „Überproduktion“ durch eine planvolle Gestaltung von Investitionen und Produktion ersetzen. Investitionen und Produktion sollen nicht von Gewinnchancen, sondern von gesellschaftlicher Sinnhaftigkeit abhängig gemacht werden und der demokratischen Kontrollen aller unterliegen.

1 Kommentar:

  1. Zusammenfassung des Grundsatzprogramms der SJ Österreichs
    http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_81.html

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