Grundsatzprogramm der SJ Österreichs - Teil 10: Migrations- und Asylpolitik
Migrations- und Asylpolitik
Wir leben in einer Zeit, in der Rassismus nach wie Teil einer gesellschaftlichen Realität ist, eine Realität, mit der Migranten und Migrantinnen tagtäglich konfrontiert sind.
Rassismus wird im öffentlichen Diskurs hingegen oft als Randerscheinung thematisiert, etwa als Ausdrucksform rechtsextremer Gruppierungen oder so genannter „ModernisierungsverliererInnen“. Rassismus wird zudem häufig als pathologische Erscheinung abgetan. Diesen Anschauungen ist gemein, dass sie in der Vermeidung der Infragestellung der herrschenden Ordnung, Rassismus als lediglich gefühlsmäßige Einstellung gegenüber „Fremden“ behandeln.
Dies führt zu der Auffassung, dass Rassismus durch die Veränderung von individuellen Einstellungen –etwa durch pädagogische Maßnahmen- zu überwinden sei. Einstellungen und Handlungen der einzelnen Menschen werden dabei von gesellschaftlichen Verhältnissen isoliert. Derartige Betrachtungen blenden demnach bewusst aus, dass Einstellungen und Handlungen in engen Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, die uns umgeben, stehen.
Doch Rassismus, rassistische Denk- und Handlungsweisen sind primär weniger eine Sache der persönlichen Einstellungen, sondern sind eng mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen verbunden.
Dies legt nahe, dass Rassismus ursächlich mit staatlichen Praktiken der Ausgrenzung und Stigmatisierung in Zusammenhang zu setzen ist. Nicht die ausländische Herkunft sondern eine etwaige vor Ort erzeugt Ausschließung macht Migranten und Migrantinnen zu „Fremden“, zu einer sozialen Randgruppe.
Dieser Status bedingt bzw. begünstigt dann letztlich auf der individuellen Ebene rassistische Einstellungen und Handlungen.
Staatlicher Ausländer-/ Ausländerinnenpolitik bzw. der jeweiligen Ausgestaltung dieser kommt von daher eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung bzw. bei der
(Re-)produktion von Rassismus zu.
Nur eine Ausländer-/Ausländerinnenpolitik, die auf die Gleichstellung von Asylwerber/innen und Migranten und Migrantinnen abzielt, vermag Rassismus einzudämmen.
Doch betrachtet man die gängige Praxis in Europa bzw. innerhalb der EU, so erkennt man dass diese oft im Widerspruch dazu steht. Zwar ist zu betonen, dass die EU im Antidiskriminierungsbereich durchaus positive und notwendige Impulse zu setzen vermag, so wird im Gegensatz dazu aber eine durchaus restriktive Einwanderungspolitik verfolgt. Doch anstelle diese Praxis zu hinterfragen, werden mit dem Argument Rassismus bekämpfen zu wollen, weitere Gesetzesverschärfungen legitimiert. Nicht die gängige Migrationspolitik sondern die „Ausländer/innen“ selbst werden als Problem definiert.
Allerdings ist zu betonen, dass nicht alle Einwanderer und Einwanderinnen als Problem wahrgenommen werden. Vielmehr ist hier von einer selektiven Wahrnehmung zu sprechen. Nicht die Binnenmigration in der Europäischen Union und die hochqualifizierten Arbeitskräfte aus anderen Industrieländern sind von dieser Problematisierung betroffen, sondern vor allem vor allem Lohnarbeiter/innen aus der Peripherie des kapitalistischen Weltsystems. Derartige Diskriminierungen sind die Grundlage des öffentlichen Diskurses über Einwanderung und der daraus resultierenden Migrationspolitik.
Im Zuge dieses Einwanderungsdiskurses wird der frühere biologische Rassismus, der Menschengruppen als minderwertig definiert, vom kulturellen Rassismus, welcher von der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Menschen, aber von der Unvereinbarkeit ihrer Kulturen ausgeht, verdrängt.
Dies lässt sich durch veränderte geopolitische Interessen erklären. Ist es früher notwendig gewesen „Eingeborene“ als primitiv darzustellen um Kolonisation und Expansion legitimieren zu können, kann man die aktuelle Abwehr der Migrantinnen und Migrantinnen nur durch ihre Gleichwertigkeit und die daraus resultierende Eigenständigkeit, trotz vorausgegangener Ausbeutung, begründen.
Eine derartige Migrationspolitik ist, bedingt durch die seit den 90-ern voranschreitende Angleichung dieses Politikbereiches, als charakteristisch für den gesamten EU-Raum zu bezeichnen.
In der Folge des Falls des Eisernen Vorhangs 1989 kam es auch in Österreich wie in vielen anderen europäischen Staaten zu einer deutlichen Verschärfung der Ausländer-/ AusländerInnengesetzgebung. Kennzeichnend dafür ist die Hochrüstung der Grenzen, die täglich neue Todesopfer fordert.
Doch auch die in Österreich davor dominierende „Gastarbeiterpolitik“ hatte nicht die Gleichstellung zum Ziel sondern eine flexibel handhabbare Aufnahme bzw. Ausschließung, je nach Konjunkturlage.
In den 90-er Jahren ging man jedoch dazu über, Migration nicht mehr primär im Rahmen der Beschäftigung sondern durch aufenthaltsrechtliche Bestimmungen zu reglementieren. Als zusätzliche Hürde blieben jedoch die vorherigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen in Kraft.
Durch diese Bestimmungen wurden und werden viele MigrantInnen in die Illegalität gedrängt, was wiederum zu starken Abhängigkeitsverhältnissen dieser Menschen zu ihren jeweiligen ArbeitgeberInnen führt. Durch ihre rechtlose, da illegale Lage können sie ja nach Belieben von ihren ArbeitgeberInnen ausgebeutet werden. Zusätzlich bringt dies auch die so genannten „inländischen“ ArbeitnehmerInnen unter Druck. Da sie sich nun in Konkurrenz zu billigen Arbeitskräften behaupten müssen.
War für die Gasterbeiterpolitik der jederzeit rückgängig zu machende Aufenthalt von Migranten und Migrantinnen kennzeichnend, so steht die derzeitige Politik für eine präventive Abschottung der Festung Europa.
Migrationspolitik in Österreich ist und war eine Politik anhaltender Ausgrenzung, in der es zwar ständig zu Anpassungen kommt, aber zu keiner Umkehr hin zu einer Integration von Einwanderern und Einwanderinnen.
Die SJ kämpft für eine anti-rassistische Gesellschaft. Rassistische Ausgrenzung ist für uns eine künstliche und zutiefst menschenverachtende Praxis. Als SozialistInnen bekennen wir uns zum Internationalismus. Die Welt trennt sich für uns nicht nach Nationalität oder Herkunft, sondern nach Klassenverhältnissen; der Stellung im Produktionsprozess.
Wir stehen dazu, dass Österreich immer ein Einwanderungsland war, nach wie vor eines ist und auch immer eines bleiben soll. Dazu braucht es aber eine ernst gemeinte Integrationspolitik, die nicht nur die Bringschuld der zugewanderten Menschen ist, sondern eine beidseitige Verpflichtung, von bereits hier lebenden und den neu hinzukommenden Menschen. Dabei genügt es nicht zugewanderten Menschen gleiche Rechte, die unserer Meinung nach aber zwingend notwendig sind, wie den bereits hier lebenden Menschen zu geben, sondern es muss alles daran gesetzt werden ihnen auch gleiche Chancen zu eröffnen. Dies bedeutet die Umsetzung einer umfassenden Politik, die gezielt auf die Bedürfnisse dieser Menschen eingeht, und sie als wichtigen Teil unserer Gesellschaft anerkennt. Des weiteren kämpfen wir für eine Welt, in der Menschen völlig frei reisen und sich niederlassen können, wo auch immer sie wollen, ohne dass ihnen bürokratische Hürden (wie z.B.: Visas) in den Weg gelegt werden.
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