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Freitag, 28. November 2014
Grundsatzprogramm der SJ Österreichs
Teil 15 : Die politischen GegnerInnen
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_86.html
Teil 14: Für eine nachhaltige Politik
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_17.html
Teil 13: Medienpolitik
http://gkrejci.blogspot.com/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_28.html
Teil 12: Kunst und Kultur
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_12.html
Teil 11: Bildung und Erziehung
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_24.html
Teil 10: Migrations- und Asylpolitik
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_42.html
Teil 9: Friedenspolitik statt Militarisierung
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_22.html
Teil 8: Sicherheit braucht Gerechtigkeit und Kontrolle
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_21.html
Teil 7: Für eine radikale Demokratisierung!
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_88.html
Teil 6: Die Bedeutung der Sozialpolitik
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_99.html
Teil 5: Arbeitswelt
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_20.html
Teil 4: Frauenpolitik
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_13.html
Teil 3: Sozialistische Jugend und internationale Entwicklung
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_6.html
Teil 2: Selbstbild der SJ
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs_2.html
Teil 1: Die Welt in der wir leben
http://gkrejci.blogspot.co.at/2014/11/grundsatzprogramm-der-sj-osterreichs.html
Donnerstag, 27. November 2014
Die Rede Jürgen Czernohorszky´s zum Kinderrechtegeburtstag
Am 20. November, also letzen Donnerstag, sind die Kinderrechte 25 Jahre alt geworden. Genau vor 25 Jahren wurde von der UN-Vollversammlung also die Kinderrechtskonvention beschlossen. Zum allerersten Mal in der Geschichte wurden damit Kinder und Jugendliche als eigenständige Rechtssubjekte wahrgenommen. Kinder- und Jugendliche, die das Recht haben auf ein Leben, das ihnen niemand zustehen oder schenken muss oder auch verwehren kann, sondern Rechte, die sie haben, weil sie Kinder sind, weil Menschen sind. Das Recht auf Mitbestimmung. Das Recht, seine Meinung zu äußern, sich zu versammeln. Den Vorrang des Kindeswohls bei allen Entscheidungen die Kinder betreffen. Das Recht auf die Eltern, das Recht auf Bildung, auf gewaltfreie Erziehung. Das Recht auf Gesundheit, der Schutz vor Ausbeutung. Und so weiter, kurz: Jene Rechte, die Kinder brauchen, damit es ihnen gut geht. Und – auch das ist eine glasklare Aussage der Kinderrechtskonvention: Rechte, die allen Kindern gleich zustehen. Kein Kind darf – egal aus welchen Gründen (Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Geschlecht, Religion, Behinderung, Vermögen der Eltern etc) – benachteiligt werden.
Drei Jahre darauf hat Österreich die Kinderrechtskonvention ratifiziert, so wie fast alle Staaten der Welt. Und 2011 wurden immerhin 6 der 54 Kinderrechte in ein Österreichisches Verfassungsgesetz gegossen, übrigens auf Druck vieler NGOs, aber auch des Landes Wiens im Verfassungskonvent hin.
Der Geburtstag letzte Woche wurde, so wie es ich gehört, auf der ganzen Welt und an sehr vielen Orten in Österreich gefeiert. Besonders in Wien ist viel passiert: das Rathaus und viele Amtshäuser in der ganzen Stadt wurden beflaggt, es gab ein großes Straßenfest der MA 11, die auch eine Kinderrechte-Bim auf die Reise geschickt hat und Kinderrechts-Infos in Spieleform produziert hat. Gemeinsam mit Social City und DigiLights wurde eine große Plakat-Aktion „EinSatz für Kinderrechte“ gestartet. Sehr viele Organisationen wie die VHS, die Jugendanwaltschaft, oder SOS Mitmensch waren sehr aktiv. Und es macht mich unglaublich stolz, dass ich an den vielen Aktivitäten der Kinderfreunde mitarbeiten durfte, die 1989 die ersten waren, die sich für eine Ratifizierung der Kinderrechte eingesetzt haben und bis heute mit vielen MitstreiterInnen jene sind, die laut in Erinnerung rufen, was manchen nicht bewusst ist: Kinder haben Rechte! Ich selber bin vielleicht schon dem einen oder anderen auf die Nerven gegangen mit meiner Sprechblase, dafür entschuldige ich mich, aber es war für eine gute Sache, und da gehört das lästig sein dazu. Feiern und lästig bleiben, das ist wohl zugleich sprichwörtlich für das Fazit des UN-Kinderrechtetags 2014 zu verstehen.
Es ist ein gelungener Geburtstag geworden. Viel ist passiert. Einiges hat sich sogar unmittelbar um dieses Jubiläum herum verbessert. Etwa die Tatsache, dass der Nationalrat bei einer Enquete zu den Kinderrechten zum ersten Mal Kinder selber als ExpertInnen eingeladen und gehört hat. Und die Tatsache, dass die Familienministerin Karmasin vor der UNO erklärt hat, auch Österreich werde endlich alle Vorbehalte im Zusammenhang mit der Kinderrechtskonvention zurückziehen und sie voll in unser Recht umsetzen.
Durch die vielen Aktivitäten sind so viele Menschen wie noch lange nicht auf die Kinderrechte aufmerksam gemacht worden. Das ist auch wichtig, denn ein Drittel aller ÖsterreicherInnen hat überhaupt noch nie davon gehört! Und das zeigt schon, wie viel es noch zu tun gibt:
Wir freuen uns über Fortschritte, wir feiern Jubiläen, aber zufrieden sind wir nicht. Kinderrechte sind Grundrechte, und das Gegenteil von Recht ist nicht Pflicht, sondern Unrecht.
Unrecht ist es, dass auch in unserem Land Jahr für Jahr Flüchtlingskinder in Schubhaft kommen. Unrecht ist es, dass auch in unserem Land Kinder tagtäglich Gewalt ausgesetzt sind und dass die Hälfte aller Eltern Ohrfeigen als Erziehungsmittel einsetzen. Unrecht ist, dass 234.000 Kinder von Armut betroffen sind, im elftreichsten Land der Welt. Unrecht ist, dass nicht alle Kinder die gleichen Chancen auf gute Bildung haben. Bildungszugänge werden vererbt, das hat nichts mit Interesse, Förderung oder Leistung zu tun, sondern damit, dass unser Schulsystem voll ist mit Zäsuren, die erste mit 10 Jahren, wo Kinder eine Entscheidung treffen müssen, HS oder AHS, die wie wenig andere ihr Leben bestimmt. Und richtig: die Kinder treffen diese Entscheidung nicht einmal, Erwachsene treffen sie für sie. Das ist ein Widerspruch dazu dass alle Kinder das leiche Recht auf Bildungszugänge haben. Ich wüsste nicht, welche gesellschaftspolitischen Aufgaben wichtiger sind als die Beseitigung solchen Unrechts. Denn Kinder sind nicht unsere Zukunft. Kinder sind jetzt schon da. Sie sind unsere Gegenwart.
Und deshalb: Nach dem Feiern kommt nicht der Kater, sondern die Arbeit. Es gibt noch viel zu tun…
Ich bin stolz darauf, dass wir in Wien in vielen Bereichen sehr engagiert an den vielen Baustellen zur Umsetzung aller Kinderrechte für alle Kinder arbeiten. Bei der Armutsbekämpfung zum Beispiel, durch die erhöhte Mindestsicherung, den beitragsfreien Kindergarten, durch Kulturpass, Gratiseintritt in Museen, durch Elternberatung und vieles mehr. Bei den Bildungschancen für alle Kinder zum Beispiel, durch unseren Einsatz für eine gemeinsame Schule, Ganztagsschulausbau und flächendeckendem Kindergartenangebot. Für gewaltfreies Aufwachsen und Kinderschutz zum Beispiel. Durch die hohen Standards der Jugendwohlfahrt.
Bezirksjugendparlamente, Partizipationsschwerpunkte in der außerschulischen Jugendarbeit, Mitreden beim Wohnen, Mitbestimmungsprojekte sonderzahl – sie sind Beispiele, dass in Wien insbesondere das Recht junger Menschen an der Mitbestimmung bei sie betreffenden Belangen sehr ernst genommen wird.
Aber auch da gibt es noch Einiges zu tun. Kinder und Jugendliche können zum Beispiel heute bei dieser aktuellen Stunde nicht mitreden, wenn es um ihre Belange geht. Deshalb möchte ich ein paar von ihnen jetzt meine verbliebene Redezeit widmen und sie indirekt zu Wort kommen lassen. Bei der parlamentarischen Enquete zum Thema Kinderrechte haben viele junge Leute sehr viele mutige und kluge Dinge angesprochen, die uns Politikerinnen und Politikern Auftrag und Diskussionsanstoß sein sollen, weil dadurch eben jene Baustellen in der Umsetzung der Kinderrechte plötzlich konkret geworden sind.
Da war zum Beispiel der 16-jährige Rollstuhlfahrer Benjamin Kasper aus Oberösterreich, der eine simple Frage angesprochen hat: warum musste er in der weiterführenden Schule in den EDV-Zweig gehen, obwohl er eigentlich Medizintechnik machen wollte? Weil die Werkstatt nicht barrierefrei war!
Oder der junge Afghane Mostafa Noori, der mit 16 Jahren nach Österreich geflüchtet war. Er erlebte bis zu seinem 18. Geburtstag Unterstützung durch eine Wohngemeinschaft, Schule, Deutschkurs und Versicherung:
“Ich habe in Österreich bekommen, was ich in meinem Land nie hatte. Für mich ist Österreich meine Heimat“, sagte Mostafa. „Ich will Ihnen unbedingt meinen Dank zeigen. Als ich ganz einsam war, hat mir Österreich geholfen und jetzt will ich auch etwas Positives für Österreich machen. Anstelle sich ewig über die vermeintliche Faulheit der Asylwerber zu beklagen, sollten Sie uns ermöglichen, schnell arbeiten zu gehen.”
“Ich habe in Österreich bekommen, was ich in meinem Land nie hatte. Für mich ist Österreich meine Heimat“, sagte Mostafa. „Ich will Ihnen unbedingt meinen Dank zeigen. Als ich ganz einsam war, hat mir Österreich geholfen und jetzt will ich auch etwas Positives für Österreich machen. Anstelle sich ewig über die vermeintliche Faulheit der Asylwerber zu beklagen, sollten Sie uns ermöglichen, schnell arbeiten zu gehen.”
Das Gesundheit mehr ist als die Frage, wie Krankheiten behandelt werden, haben die Jugendlichen bei der Enquete auch eindrucksvoll gezeigt.
Jeder ist für seine Gesundheit auch selbst verantwortlich, sagte eine Jugendliche, um gesund zu leben müsse man aber wissen, was gut für einen ist, wo Grenzen gezogen werden müssen und wo Gefahren lauern. Deshalb forderten die jungen ExpertInnen ein Pflichtfach Ernährungslehre und dass in der Volksschule das Erlebnis Kochen geübt werden kann.
Gesundheit ist aber nicht nur physische Gesundheit, zeigten Cornelia Schenk und Tamara Reitbauer auf. Sie und mehrere andere Jugendliche haben darauf hingewiesen, dass es in der Schule oft einen enormen Leistungsdruck gibt, an dem vor allem Schülerinnen und Schüler kaputt gehen, die auch im privaten Umfeld große Probleme haben. Auch Daniel Preglau gab zu bedenken, dass die hohe Belastung von SchülerInnen Ursache vieler psychischer und physischer Erkrankungen sei. Für ihn wäre es ein Lösungsansatz, die Schulnoten ersatzlos zu streichen und stattdessen ein individuelles Leistungsprofil für alle SchülerInnen einzuführen.
Jeder ist für seine Gesundheit auch selbst verantwortlich, sagte eine Jugendliche, um gesund zu leben müsse man aber wissen, was gut für einen ist, wo Grenzen gezogen werden müssen und wo Gefahren lauern. Deshalb forderten die jungen ExpertInnen ein Pflichtfach Ernährungslehre und dass in der Volksschule das Erlebnis Kochen geübt werden kann.
Gesundheit ist aber nicht nur physische Gesundheit, zeigten Cornelia Schenk und Tamara Reitbauer auf. Sie und mehrere andere Jugendliche haben darauf hingewiesen, dass es in der Schule oft einen enormen Leistungsdruck gibt, an dem vor allem Schülerinnen und Schüler kaputt gehen, die auch im privaten Umfeld große Probleme haben. Auch Daniel Preglau gab zu bedenken, dass die hohe Belastung von SchülerInnen Ursache vieler psychischer und physischer Erkrankungen sei. Für ihn wäre es ein Lösungsansatz, die Schulnoten ersatzlos zu streichen und stattdessen ein individuelles Leistungsprofil für alle SchülerInnen einzuführen.
Natascha Prinz hat alle dran erinnert, dass die “Gsunde Watschn” nie gesund ist, dass sie Kindern schadet und sie warnte vor jeder Form von Gewalt an Kindern, die immer seelische Schäden hinterlässt.
Muchammad Magomadow erzählte von den Verletzungen von Kindern, die in Kriegsgebieten aufwachsen müssen und appellierte an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Enquete, über den Tellerrand zu schauen und sich für Kinder zu engagieren, die mit Todesstrafe, Folter und Missbrauch bedroht werden. Er hat gesagt, wie wichtig die Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft sei, aber auch der Schutz ihrer Kultur. “Niemand soll seine Identität aufgeben müssen”, sagte Muchammad.
Mitbestimmung und politische Bildung sollten als Grundprinzip im Schulwesen verankert sein. Für die Ausbildung mündiger BürgerInnen sei ein Pflichtfach “Politische Bildung” wichtig, meinte etwa Nicolas Hofbauer. Magdalena Trauner schlug vor, als Unterrichtsprinzip Politische Bildung schon in den Volksschulklassen einen Platz einzuräumen und Matthias Rudischer wünscht sich eine Stärkung der Schülervertretung. Konkret drängte er auf die gesetzliche Verankerung einer Schülervollversammlung und auf vermehrte Mitbestimmungsrechte des Schulgemeinschaftsausschusses an jeder Schule.
Eine Jugendliche hat in ihrem Redebeitrag angesprochen, wie unfair es sei, dass Kinder in Österreich bereits mit 10 Jahren in Hauptschule oder Gymnasium geteilt werden – eine Entscheidung, die das ganze Leben bestimme und in einem Alter getroffen werden müsse, in dem das kein Kind für sich entscheiden könne.
“Ich bin der Meinung, dass in Kindern und Jugendlichen sehr viel Potential steckt! Dieses kann aber nur genutzt werden, wenn man die entsprechenden Möglichkeiten bietet. Daher ist es besonders wichtig, uns allen eine Stimme zu geben und vor allem unsere Ratschläge und Meinungen zu beachten. Oft wird gesagt, SchülerInnen und/oder Kinder haben nicht die nötige Erfahrung, um Dinge zu entscheiden bzw. mitzuentscheiden. Aber genau das ist unser Vorteil. Unsere Denkweise ist viel konkreter und direkter. Wir können der Jugend Möglichkeiten bieten, weil wir die Jugend sind.” Das schrieb Matthias Rudischer, 17-jähriger Schüler aus der Steiermark, als er sich neben 50 weiteren Jugendlichen für das Mitreden bei der Parlamentarischen Kinderrechte-Enquete anmeldete.
Kindern und Jugendlichen zuhören, sie ernstnehmen und mitentscheiden lassen, ist ein elementares Kinder-und Jugendrecht in Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention.
Deshalb fordern die 42 NGOs im Netzwerk Kinderrechte Österreich nach der beeindruckenden Veranstaltung im Parlament, dass ab 2015 Kinder- und Jugendliche in Gemeinderats-, Landtags- und Nationalrats- und Bundesratssitzungen zum Mitreden als Expertinnen und Experten eingeladen werden sollen.
Wir haben am Dienstag beschlossen, im kommenden Jahr genau das zu tun und eine Enquete hier im Haus zu machen, die auch Kinder und Jugendliche als Expertinnen und Experten einbezieht. Sie werden uns sicher auf Dinge hinweisen, die in Wien und in Österreich noch zu tun sind. Gut so! Es ist ihr Recht.
Die Rede Jürgen Czernohorszky´s
Genau eine Woche nach dem Kinderrechtegeburtstag gab es sowohl im Wiener Landtag als auch im Europaparlament eine aktuelle Stunde zum Thema Kinderrechte. Joe Weidenholzer sprach dazu in Straßburg, ich hatte die Ehre, in Wien zu reden (Anlass für eine gemeinsame Presseaussendung von Kinderfreunden und Joe Weidenholzer).
Dienstag, 25. November 2014
TTIP: Häufig gestellte Fragen zum ISDS
Wozu wurde ISDS ursprünglich eingeführt?
ISDS besteht weltweit bereits in hunderten bilateralen und multilateralen Investitionsverträgen (BIT), etwa als Teil des Energiecharta Vertrags oder einem bilateralen Abkommen zwischen Albanien und Österreich.
Ursprünglich wurde es als Notinstrument eingeführt, wenn in Ländern kein verlässliches Rechtssystem mit unabhängigen Gerichten zur Verfügung stand oder keine Gesetze zum Schutz gegen Enteignung in Kraft waren. Der Investitionsschutz sollte damit auch in jenen Ländern ausländische Investitionen ermöglichen, die bisher kein Vertrauen bei Unternehmen genossen hatten. Es bestehen daher zahlreiche Verträge zwischen Österreich und ehemaligen Sowjet-Staaten, die vorwiegend dazu dienten, österreichische Investitionen abzusichern. Klagen gegen Österreich durch ISDS-Klauseln hatten bisher daher keine Bedeutung.
Wie hat sich ISDS weiterentwickelt?
Im Laufe der 1990er Jahre wurde ISDS nicht mehr ausschließlich gegen die direkte Enteignung (etwa einer Fabrik), sondern vermehrt auch gegen „indirekte Enteignung“ angewandt. Laut einem OECD-Bericht hat sich in den letzten Jahren eine regelrechte„Klagsindustrie“ von spezialisierten Anwälten etabliert. Die Anzahl der Fälle steigt rasant an. Es herrscht beinahe Konsens unter Experten, dass der Mechanismus in der bestehenden Form nicht belassen werden kann. Insbesondere Lücken zum Missbrauch (etwa „Treaty shopping“) müssten geschlossen werden. Es laufen daher unterschiedliche Prozesse zur Reform von bestehenden bilateralen Investitionsverträgen bei der Europäischen Kommission, der OECD und der UNO.
Wovon ist ISDS betroffen?
Zwei Beispiele, wie mit ISDS gegen Gesetze im Umweltbereich geklagt wurde:
1. Atomausstieg Deutschland
Der schwedische Energiekonzern Vattenfall klagte im Rahmen des Energiecharta Vertrags die Bundesrepublik Deutschland auf 3,5 Milliarden Euro Schadensersatz wegen der Entscheidung aus der Atomkraft auszusteigen.
2. Frackingverbot Quebec
Der Konzern Lone Pine Resources klagte die kanadische Provinz Quebec auf 250 Millionen Dollar Schadensersatz, weil das dortige Parlament ein Moratorium auf die Förderung von Schiefergas erlassen hat.
Beide Verfahren sind anhängig.
Jedes Gesetz, das Einnahmen von Unternehmen durch „indirekte Enteignung“ bedroht, ist potentiell in Gefahr. Der vollständige Anwendungsbereich auf zukünftige Gesetze – oder Entscheidungen von Behörden im Rahmen von Zulassungsverfahren – ist nicht abschätzbar. Neben einem auch in Österreich in Zukunft möglichen Moratorium auf die Förderung von Schiefergas könnte auch gegen jedes einzelne in Österreich beschlossene nationale Gentechnik-Anbauverbot in Zukunft eine Klage vor einem Schiedsgericht eingebracht werden.
Was ist an einem ISDS-Mechanismus, als Teil eines Abkommens mit den USA, außergewöhnlich?
Politiker unterschiedlicher Fraktionen halten ISDS in einem Abkommen mit den USA schlicht fürnicht notwendig, da auf beiden Seiten des Atlantiks unabhängige Gerichte auch ausländischen Investoren faire Verfahren garantieren. So argumentieren etwa niederländische Liberale, dass die Objektivität des Europäischen Gerichtshofes durch den Vorschlag, mit ISDS ein „neutrales“ zusätzliches Rechtsystem etablieren zu müssen, in Frage gestellt wird. Schließlich bezweifelt weder die Europäische Kommission noch die US-Regierung, dass der Europäische Gerichtshof auch für ausländische Unternehmen ein faires Verfahren garantiert.
Welche konkreten Nachteile hat ISDS gegenüber ordentlichen Gerichten?
- Ein paralleles Rechtssystem, das über dem nationalen Höchstgericht steht, ist der Grundgedanke von ISDS, da es unabhängig von staatlichen Gerichten sein soll. Der Kläger kann sich das Forum des Verfahrens daher aussuchen bzw. erhält eine „zweite Chance“. Klagen können unter Umständen sogar doppelt – vor ordentlichen Gerichten und Schiedsgerichten - eingebracht werden.
- ISDS ist kein „neutrales Forum“. Mehr als die Hälfte der „Richter“ sind laut OECD im Hauptberuf Firmenanwälte. Mehr als 60% von diesen vertreten auch Investoren in ISDS-Streitigkeiten als Anwälte. Ein Seitenwechsel, der für unabhängige Richter unvorstellbar wäre.
- Staaten können praktisch nur verlieren: Nur (ausländische) Investoren haben das Recht zu klagen. Wenn diese einen Fall gewinnen, können sie oft mit Milliardenentschädigungen rechnen. Staaten bleiben selbst wenn sie eine Klage erfolgreich abwehren können, oft auf hohen Anwalts- und Prozesskosten (durchschnittlich 6,5 Mio. Euro pro Fall) sitzen.
- Kaum Transparenz: der Kläger (und der Beklagte) kann beantragen, dass ein Verfahren nicht öffentlich sein soll
- Beschränkter Zugang: Die hohen Kosten beschränken den Zugang für kleinere Investoren, Klagen zahlen sich nur bei Großinvestitionen aus
- Unternehmerische Risiken von Investitionen werden sozialisiert, während Gewinne bei den Unternehmen bleiben (ISDS funktioniert ähnlich wie eine Kreditausfallsversicherung im Exportgeschäft)
- „Chilling Effect“: ISDS kann Gesetze bereits im Voraus verhindern, indem es als Druckmittel von Lobbyisten eingesetzt wird. Durch hohe Prozesskosten und Klagsrisiken treten gewisse Gesetze gar nicht erst in Kraft. Insbesondere kleine Staaten mit wenigen spezialisierten Beamten meiden Klagen und einigen sich daher im Vorfeld.
Kann ISDS Gesetze – etwa Verbesserungen im Umweltbereich – aushebeln?
Ja. Grundsätzlich bestehen zwar nur Schadensersatzansprüche, diese können jedoch aufgrund der Höhe – bei einer Einmalzahlung in Milliardenhöhe oder auch für laufend entfallende Einnahmen – zu derartig hohen finanziellen Belastungen für Staaten führen, dass Gesetze zurückgenommen werden müssen. Kleinere Staaten sind von diesem Effekt stärker betroffen.
Welche Vorteile hat ISDS?
- Paralleles Rechtssystem: dem Rechtssystem im Land, in dem investiert wird, muss nicht vertraut werden
- Schnelle Verfahren
- Entscheidungen sind endgültig (keine Berufungsmöglichkeit)
- Entscheidungen sind durch UN-Konvention international durchsetzbar
- Wirkt ähnlich wie eine Versicherung (gegen Gesetze, die künftige Einnahmen bedrohen), Risiken können für Auslandsinvestitionen gesenkt, Gewinne dadurch erhöht werden
Ist ISDS reformierbar?
ISDS kann zwar verbessert werden (Transparenz, Übernahme der Prozesskosten durch erfolglosen Kläger), an die Qualität ordentlicher Gerichte kann es nur herankommen, wenn unabhängige Berufsrichter die nebenberuflichen Schiedsrichter ersetzen. Richter an ordentlichen Gerichten dürfen aus gutem Grund keinen Nebentätigkeiten nachkommen oder die Rolle zwischen Anwalt und Richter ständig wechseln.
Die fehlende Unabhängigkeit der Richter ist ebenso wie das parallele Rechtssystem eine systemische Herausforderung, die daher im bestehenden Mechanismus nicht reformiert werden kann. Verbesserungen von bestehenden BITs sind zwar erstrebenswert, mittelfristig sollten jedoch Alternativen an deren Stelle treten.
Welche Alternativen zu ISDS gibt es?
- Verbesserter Zugang für ausländische Investoren und schnellere Verfahren beiordentlichen Gerichten: für Abkommen mit hochentwickelten Staaten wie den USA oder Kanada oder innerhalb der EU (mittelfristig)
- Internationaler Investitionsgerichtshof mit Berufsrichtern: als Ersatz für bestehende BITs (mittelfristig)
- Private oder staatliche Versicherungen zur Absicherung von Investitionsrisiken im Ausland: nur in Ländern mit relativ gut entwickelten Rechtssystemen möglich und leistbar (kurzfristig)
Wer entscheidet, ob ISDS ein Bestandteil von TTIP wird?
Laut einer (bisher geheim gehaltenen) Analyse des Juristischen Dienstes des Rates müssen insbesondere Abkommen, die Investitionsschutzmechanismen enthalten, als „gemischte Kompetenz“ eingestuft werde und daher von allen nationalen Parlamenten ratifiziert werden.Darüber hinaus müssen in jedem Fall das Europäische Parlament und der Rat TTIP mehrheitlich zustimmen (im Rat ist eine qualifizierte Mehrheit notwendig).
Petition gegen TTIP
Ein Veto Österreichs ist möglich! Fordern Sie jetzt von österreichischen Abgeordneten und EU-Parlamentariern, die Bedrohung für unsere Umwelt und Gesundheit zu stoppen.
Quelle: Greenpeace Austria
und Newsartikel - 20 März, 2014
und Newsartikel - 20 März, 2014
Montag, 24. November 2014
Grundsatzprogramm der SJ Österreichs - Teil 12: Kunst und Kultur
Kunst und Kultur
Kunst ist sowohl eine Reaktion auf gesellschaftliche Kämpfe und damit Teil des kollektiven Bewusstseins, als auch der individuelle Ausdruck des autonomen Individuums in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt.
„Kultur“ meint nicht weniger als die Gesamtheit der Lebensäußerungen einer Gemeinschaft. In der gesellschaftlichen Auseinandersetzung wird „Kultur“ in einem elitären Verständnis oft auf geistige oder „klassische“ künstlerische Tätigkeiten – zumeist getragen von VertreterInnen der Eliten – reduziert. Als MarxistInnen erkennen wir die herrschenden Ideen als die Ideologie zur Aufrechterhaltung der Klassenherrschaft einer schmalen Elite.
Der Begriff Kultur lässt sich nicht vom Alltag der breiten Massen abgrenzen und auf gehobene Unterhaltung des BildungsbürgerInnentums im Theater, Konzerthaus oder Museum beschränken.
Das Produkt jeglichen kulturellen Handelns ist Kunst. Die verbreiteten Annahmen, KünstlerInnen besäßen im Unterschied zu anderen Menschen außergewöhnliche Begabungen wie einen „göttlichen Funken“ oder das Wort Kunst käme von „Können“, schließen den Großteil der Menschen aus der Kunstproduktion aus und lassen ihnen bestenfalls eine Rolle als BetrachterInnen.
Was in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft als Kunst gilt, spielt sich zum überwiegenden Teil fernab von der Lebensrealität der arbeitenden Menschen ab.
Kunst im Kapitalismus
Dieser elitäre Kunstbegriff spiegelt die kapitalistischen Verhältnisse wieder, weil sich Kunst erst als Kunst verkaufen muss, um als solche wahrgenommen zu werden. Diese Auswüchse der kapitalistischen Verwertungslogik dienen nur der Fortsetzung der Klassenherrschaft.
Unser Kunst- und Kulturbegriff basiert auf einem prinzipiell egalitärem und emanzipativen Gesellschaftsverständnis; kommt sozusagen „von unten“.
Wir setzen uns für die Förderung von Kunstrichtungen der Subkultur und Avantgarde ein. Gerade für junge KünstlerInnen ist es schwer, in den oftmals informellen Strukturen Fuß zu fassen.
Der bürgerliche Kulturbegriff erschöpft sich in der Subventionierung der Museen, der Theater- und Opernhäuser in den Ballungszentren. Kunst wird ausgestellt, angepriesen und vermarktet. [...]
Die Kunst wird zu Markte getragen und die Kulturindustrie ist längst zu einem der wichtigsten Märkte der globalisierten Welt geworden. Kunst wird zu etwas, das sich neben dem Leben abspielt. Kultur findet statt – aber keine Alternative. Die Totalität des menschlichen Ausdrucks wird von den Konzernen nutzbar gemacht, das Kunstwerk zur Ware, die der kapitalistischen Verwertungslogik ebenso unterworfen ist wie jedes andere Produkt. Entfremdung ist der Kern dieser Kunst, nicht als Gegenstand eines reflexiven Prozesses sondern als Wesensmerkmal. [...]
Kunst muss von ihrem Podest gestoßen werden, um zur Selbstverständlichkeit in einer freien Gesellschaft zu werden. Sie muss und soll nicht verwertbar sein, sie braucht keinen Markt, ihren Wert bestimmt sie autonom – und in ihrem Beitrag zum Aufbau des Sozialismus.
Die Rolle von Kunst für eine fortschrittliche Gesellschaft
In der liberalen bürgerlichen Gesellschaft wird die Freiheit der Kunst oft damit als erfüllt angesehen, dass sie keine konkreten Funktionen hat und keinen Nutzen braucht, sondern eben für sich „l’art pour l’art“ (Kunst um der Kunst willen) steht. Damit wird Kunst zum bloßen Luxus abgekoppelt von jeder gesellschaftlichen Auseinandersetzung.
Wir betrachten Kunst als Instrument zur Darstellung und Reflexion gesellschaftlicher Widersprüche und Schaffung neuer Perspektiven. Kunst hat auch den Auftrag zur Konfrontation. Sie soll kein „Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet“ sein, wie es Karl Marx formulierte.
Solcherart progressive Kunst hat einen wesentlichen Nutzen für eine fortschrittliche Gesellschaft, indem sie zur Kritik anregt und Widersprüche aufzeigt. „Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit“, der bürgerlich-liberale Ansatz von Kunst, die „alles darf“ wird von uns nicht unkritisch übernommen. Wir bekennen uns nachdrücklich zur Darstellungsfreiheit des Kunstwerks, denn in der Kunst müssen die gesellschaftlichen Widersprüche, jedes Problem und Tabu dargestellt und thematisiert werden können.
Kunst für alle, Kunst von allen!Damit Kunst einen Beitrag zu einer fortschrittlichen Gesellschaft leisten kann, muss sie ein Teil der Lebenswelt aller Menschen werden und darf sich nicht auf die in Museen und Galerien verwahrten Werke einiger „KünstlerInnen“ beschränken. Da jeder Mensch individuelle Fähigkeiten besitzt, die solidarisch für die Gesellschaft nutzbar gemacht werden können, kommt es dabei nicht darauf an, KünstlerIn im herkömmlichen Sinn sein zu wollen.
Gleichzeitig setzen wir uns als SozialistInnen für die arbeitsrechtliche Gleichstellung all jener ein, die künstlerische Betätigung als Lohnarbeit ausüben. Für sie soll genauso wie für anderen Lohnabhängige eine Sozialversicherung gewährleistet sein. Darüber hinaus geht es darum, allen Menschen das Erschließen ihres schöpferischen Potentials und kreatives Schaffen zu ermöglichen.
Grundlage dafür ist eine breite Förderung von Kunstschaffen im öffentlichen Raum und die Subventionierung progressiver Kunst, die sich nicht den Prinzipien des Marktes unterwirft. Gleichermaßen treten wir dafür ein, Kunst und die Auseinandersetzung mit Kunst allen Menschen zugänglich zu machen.
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