Dienstag, 2. August 2011

Globalisierung; Politik, Moral & Ethik

Unter den Bedingungen der Globalisierung besteht aufgrund von Tourismus, den neuen Kommunikationsmitteln und der Migration eine erhöhte Chance der Begegnung von Anhängern unterschiedlicher Moralsysteme.
Peter Sloterdijk beschreibt die Begegnung mit fremden Kulturen als eine Erfahrung, die Einfluss auf das Selbstbild hat. Die eigene für ewig erachtete Ordnung wird unter diesen Umständen in Frage gestellt und droht sich als lediglich „lokaler Immanenzzusammenhang“ herauszustellen. Damit wird die universelle Moral in ihrer fraglosen Gültigkeit erschüttert und folglich ihre Rolle im hierarchischen Gefüge problematisch.
Durch den Begegnungs- und Kooperationsdruck treffen universale Moralvorstellungen vermehrt aufeinander. Die Erschütterung betrifft dabei nicht nur die Hierarchie innerhalb des Nationalstaats. Angesichts der nationenübergreifenden Gefahren stellt sich immer drängender die Frage einer internationalen Gestaltung des Verhältnisses von Moral, Politik und Wirtschaft.
Außerdem führen diese Entwicklungen dazu, dass die einzelnen Kulturkreise aus Angst vor Übermächtigung durch die anderen verstärkt für ihre Moralvorstellungen eintreten.
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Da ein hierarchisches System von Moral, Politik und Wirtschaft einer Moralkonzeption untersteht, die einen Absolutheitsanspruch erhebt, wird es zwangsläufig zu Konflikten und Kriegen mit anderen Kulturen kommen, deren Moralkonzeptionen, wenn schon keinen Absolutheitsanspruch, so doch zumindest einen Gültigkeitsanspruch erheben.
Max Weber hat die sich ergebende Rivalität beschrieben: Ein System, in dem die Moral einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt, lässt keinen Platz für eine abweichende Moralkonzeption.
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Die vertikale Infragestellung der Hierarchie von Moral, Politik und Wirtschaft betrifft vornehmlich das Problem der Implementierung der Moral durch den Nationalstaat in einer globalisierten Welt. Die Infragestellung der Macht der Nationalstaaten ist bedingt durch die schrumpfenden Möglichkeiten, angesichts transnationaler Wirtschaftszusammenhänge und Problemstellungen eigenständig und unabhängig die politische Agenda durchzusetzen. Wenn es aber schwerer wird, die Anweisungen der universellen Moral durch die nationalstaatliche Politik zu implementieren, dann wird das hierarchische Gefüge in Frage gestellt.

Ein weiteres Problem für die Souveränität von Nationalstaaten entsteht durch das Auftauchen von vielfältigen nicht-staatlichen Akteuren in der internationalen Politik. Multinationale Unternehmen, inter- und supranationale Organisationen und Nicht-Regierungsorganisationen konkurrieren mit den Staaten in der internationalen Politik.

Außerdem hat sich eine Vielzahl von transnationalen Netzwerken gebildet, die Einfluss auf globaler Ebene auszuüben versuchen. Diese sind nicht ortsgebunden und können sich durch die neuen Kommunikationsmittel, vor allem mit Hilfe des Internets, auch ohne Organisationsstruktur entwickeln.

Ernst-Otto Czempiel stellt angesichts dieser Entwicklungen fest, dass die Welt zwar „noch keine Weltgesellschaft, aber auch keine Staatenwelt mehr ist.“
Eine steigende Anzahl von Politikfeldern überschreitet die Grenzen von Nationalstaaten. Es kommt zu einer Verdichtung globaler Interdependenzen, die die Grenzen der Staaten porös machen. Die politischen Entscheidungen der Nationalstaaten, der internationalen Organisationen, der Multinationalen Firmen und der Nichtregierungsorganisationen haben einen grenzüberschreitenden, wenn nicht sogar globalen Einfluss.
Der Einfluss der Nationalstaaten wird also in mehreren Beziehungen stark eingeschränkt. Die Relativierung ihrer Macht zeigt sich an vielen Säulen staatlicher Souveränität, z. B. den Steuern, den Polizeiaufgaben, der Außenpolitik und der militärischen Sicherheit. Damit hat sich auch das Verhältnis von Staat und Gesellschaft vor allem in den westlichen Industrienationen verändert.
Otfried Höffe:
„Wird also der Handlungsbedarf global, so legt sich der Gedanke eines ebenso globalen Gemeinwesens nahe, einer weltweiten Rechts- und Staatsordnung, die sich um der emphatischen Selbstorganisation willen als globale Demokratie, als Weltrepublik, etabliert.“
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Aus dem Buch von Katja Thierung: "Von der Weltordnung zum Weltspiel"

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