Mittwoch, 6. Juni 2012

Die SPÖ und der böse Wolf

Quelle:
(Leserkommentar, Andreas Babler, derStandard.at, 6.6.2012)


Andreas Babler,
- war Verbandssekretär der International Union of Socialist Youth, und
- der Weltjugendinternationalen und
- ist jetzt SPÖ-Stadtparteivorsitzender und Stadtrat in Traiskirchen und
- Mitglied des Niederösterreichischen Landesparteivorstands.

Die SPÖ und der böse Wolf

Warum sich die SPÖ Führung beim aktuellen Volksbegehren "Steuergerechtigkeit jetzt" mehr zwischen politischer Glaubwürdigkeit und Wahltaktik entscheiden muss

Oberösterreichs LHStv. Joschi Ackerl brachte es kürzlich auf den Punkt: Es fehle der Parteiführung an Standfestigkeit.
Stimmt! Das gilt speziell im Fall des gerade in den Gemeindeämtern zur Unterstützung aufliegenden Volksbegehrens "Steuergerechtigkeit jetzt!". Während bereits etliche sozialdemokratische Organisationen wie die Sozialistische Jugend oder einzelne Fraktionen Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen, sowie FunktionärInnen aus unterschiedlichsten Bereichen bzw. selbst die Arbeiterkammer Wien und Niederösterreich ausmarschiert sind, um für das Volksbegehren die Werbetrommel zu rühren, gibt es in der Löwelstraße anscheinend nicht einmal einen Termin für die Volksbegehren-InitiatorInnen. Von politischen Unterstützungssignalen dafür ganz zu schweigen.

Warum dieser Boykott?
Den politischen Stil solcher Praktiken zu bewerten ist das eine, das andere - und das ist das Zentrale - ist allerdings die fundamentale politische Dimension dieser Verweigerungshaltung. Die Fakten und die Notwendigkeit für eine solche Umverteilungsmaßnahme mittels eines gerechteren Steuersystems, das sich einnahmenseitig stärker am Vermögen orientiert, sind in der SPÖ hinlänglich bekannt. Auf Parteitagsreden und in Wahlkämpfen wird dies wieder und wieder quer durch die Partei und in der Öffentlichkeit zum Thema gemacht - und das absolut zu recht. Warum aber wird trotzdem das Volksbegehren (zumindest von der SPÖ-Führung) boykottiert?

Wahlkampftaktik?
Eine ominöse Taktik Richtung Nationalratswahlkampf 2013 dürfte dafür wohl ausschlaggebend sein. Die Überlegung, sich das Thema nicht frühzeitig - und schon gar nicht "fremdinitiiert" - abschießen zu lassen. Doch das Thema ist hier und jetzt auf der Agenda und die SPÖ-Führung müsste jetzt nicht nur politisch, sondern darüber hinaus auch taktisch ein Interesse daran haben, dass dieses Volksbegehren erfolgreich ist. Das würde Kraft für die große inhaltliche Auseinandersetzung in einer gesellschaftlichen zutiefst notwendigen Gesamtumverteilungsdebatte geben.
Die Frage, die sich die Bundes-SPÖ hier eigentlich zu stellen hat, ist nicht "ob", sondern nur "wie" das vorliegende Volksbegehren unterstützt werden kann.

Wie glaubwürdig ist die Sozialdemokratie noch?
Fest steht, dass das Dilemma mancher "braver" FunktionärInnen auf Bundesebene immer größer wird: Die (richtigen!) Forderungen, Vermögen stärker zu besteuern, Arbeit zu entlasten und Armut zu bekämpfen wirken mehr und mehr wie reine Lippenbekenntnisse. Wie glaubwürdig ist eine Sozialdemokratie, die ständig "Gerechtigkeit" ruft, plakatiert und inseriert und dann ein Volksbegehren, das 1:1 diese Forderungen aufgreift, ignoriert? Die Aufforderung aus der Bevölkerung und von vielen Stimmen aus der eigenen Partei den leeren Worten auch endlich Taten folgen zu lassen, ist aus meiner Sicht verständlich und richtig. 

Farbe bekennen
Die Passivität der SPÖ Führung in dieser Frage wird jedenfalls nicht verhindern können, dass viele von uns weiterhin für das Volksbegehren werben, da das Thema (Steuer-)Gerechtigkeit nicht nur eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit ist, sondern vielmehr eine Grundfeste der Sozialdemokratie darstellt. 


Quelle:
(Leserkommentar, Andreas Babler, derStandard.at, 6.6.2012)

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